Sonntag, 27. Juni 2010

El nuevo presidente

Der neue Präsident

Am letzten Sonntag waren in Kolumbien Präsidentschaftswahlen. Nach zwei Amtszeiten unter Álvaro Uribe durfte dieser nicht noch einmal zur Wiederwahl antreten, woraufhin er das Verfassungsgericht anrief, das jedoch im Februar das Verbot aufrecht erhielt.
Eigentlich war lange klar, dass der ehemalige Verteidigungsminister Juán Manuel Santos von der U-Partei gewinnen würde. Das U steht für Union, und die Partei ist wie in Deutschland konservativ. Santos war der designierte Nachfolger von Uribe, und so schien es ein langweiliger Wahlkampf zu werden, bis Antanas Mockus ins Geschehen eingriff.
Der Mathematiker, Sohn zweier Einwanderer aus Litauen, war zweimal Bürgermeister von Bogotá und tat sich mit Sergio Fajardo, dem Ex-Bürgermeister von Medellín, zusammen, um für die Grünen bei der Präsidentschaftswahl anzutreten.
Vor einigen Monaten wurde die grüne Bewegung dann immer stärker, da besonders die jungen Leute die Ideen von Mockus - weniger Geld für das Militär, mehr Geld für Bildung - unterstützten.


Die Zentrale der Grünen in Cali - 50 Meter von meinem Haus entfernt.

In meinem Reiseführer steht, man solle sich aus politischen Angelegenheiten raushalten, da man über diese Dinge nicht spricht. Weit gefehlt - aber gaaaaaaanz weit!  Jeder erzählt jedem, für wen er stimmen wird, und viele Leute laufen mit Armbändern für ihren Kandidaten herum.
Nachdem ich mich ein bisschen informiert hatte, entschloss ich mich, auch ein Armband für Mockus zu tragen. Schließlich sehe ich tagtäglich, wie sehr es an Lehrern und Ausstattung in meiner Schule mangelt, und außerdem ist Mockus der einzige Politiker, von dem selbst die Kolumbianer sagen, er wird kein Geld in die eigene Tasche stecken. So zahlte er unter anderem fast zwei Millionen Euro an Wahlkampfunterstützung an den Staat zurück, da man das Geld besser für Bildung nutzen solle.
Die erste Runde der Wahlen gewann Santos dann allerdings krachend, und so konnte er auch die zweite Runde für sich entscheiden. Hier schreibt der SPIEGEL über das Ergebnis der Wahlen. Allerdings gibt es bei kolumbianischen Wahlen immer wieder Unregelmäßigkeiten, auf die ich kurz eingehen möchte.
So werden in den armen Vierteln angeblich Stimmen gekauft, oder das Endergebnis aus dem Chocó, dem unwegsamen Bundesland am pazifischen Regenwald, werden fünf Minuten nach Schließung der Urnen übermittelt. Ich will nicht sagen, dass die Vorwürfe wahr sind oder dass es Deutschland so etwas überhaupt nicht gibt - aber zumindest die Leute hier glauben, dass sie betrogen werden. Viele haben ihr Vertrauen in die Politik verloren und gehen deshalb nicht mehr zur Wahl.
Eine weitere kolumbianische Eigenheit ist die "ley seca", das so genannte "trockene Gesetz". Von Freitag um 18 Uhr bis Montag um 6 Uhr darf kein Alkohol verkauft oder auf der Straße getrunken werden. Daher sind alle Bars geschlossen und es herrscht eine gespenstische Stille auf den am Wochenende sonst so lebhaften Straßen.


Hier sieht man, wie im Supermarkt die Regale mit Polizeiband abgesperrt werden. Der Grund dafür ist, dass der Staat will, dass die Leute nicht betrunken zur Wahl erscheinen oder am Sonntag lieber ihren Rausch ausschlafen, anstatt ihren bürgerlichen Pflichten nachzugehen. Warum dann allerdings der Freitag und Sonntag Abend ebenfalls unter die "ley seca" fallen, konnte mir bisher noch keiner sagen.

Samstag, 26. Juni 2010

El alfabeto colombiano: Z

Das kolumbianische Alphabet: Z

Z wie Zeit

Zeit ist relativ. Das wusste schon Albert Einstein, doch dank Kolumbien weiß ich es jetzt auch! Besonders weil morgen ja auch noch ein Tag ist, stört es mich kaum mehr, wenn etwas nicht klappt. Auch jetzt, wo mir nur noch wenig Zeit bleibt und ich noch viel erledigen muss, gerate ich nicht in Eile. Was bringt es auch?
Irgendetwas wird mich eh wieder aufhalten - sei es mein noch nicht reparierter Computer, seien es die Kreuzung verstopfende Autos, sei es der nicht kommende Bus - oder sei es was weiß ich. Irgendwas ist immer. Egal.
Außerdem will ich mich nicht hetzen, sondern jede mir noch verbleibende Sekunde in Kolumbien aufs Höchste genießen und auskosten. So denkt ein Kolumbianer jeden Tag - genieße das Leben. Löblich, geht aber leider zu Lasten der wirtschaftlichen Produktivität. Doch wieso ist die Mentalität hier so?
Dafür gibt es ein Stichwort - Äquatorregelung. So habe ich das Phänomen getauft, das ich nach einem Jahr festgestellt habe. Auch euch dürfte bekannt sein, dass beispielsweise die Griechen entspannter sind als die Deutschen - besonders, was ordnungsgemäße Buchhaltung angeht. Ich behaupte, dass die Arbeitsmoral auf den Breitengrad zurückgeht. Je näher man dem Äquator ist, desto weniger eilig haben es die Leute.
Noch vor 50 Jahren musste man in Deutschland für den Winter vorsorgen. Gemüse und Obst wurden taggenau gesät und geerntet, da Frost oder Regen alles zerstören konnte. Nichts mit nächste Woche - heute, jetzt!
Hier am Äquator im tropischen Regenwald kennt man dieses Problem nicht. Wenn die Ananas heute nicht geerntet wird, dann halt morgen oder übermorgen. Und wenn sie dann vergammelt ist? Egal, gibt ja genug. So ein Regenwald wuchert ja vor sich hin - da macht ein Tag keinen Unterschied.
Überhaupt, was ist ein Tag, was ist ein Jahr? Ohne Jahreszeiten verliert man jeden Überblick. Wenn ich morgen aufstehe, könnte es genauso gut der 17. Januar oder der 5. Oktober sein - ich würde keinen Unterschied erkennen. Tag für Tag für Tag ist gleich.
So kann man mit gutem Gewissen einen Tag in der Hängematte verbringen. Oder zwei. Oder auch jeden Tag. So funktionierte es früher.
Heute funktioniert die Natur immer noch so - nicht jedoch die Wirtschaft. Bei solch einer Verhaltensweise gibt es keine Entwicklung, und so bezeichnen wir heute als Armut, was vor 50 Jahren genauso war. Die so lebenden Leute haben sich nicht geändert, nur die Umgebung!

Freitag, 25. Juni 2010

El alfabeto colombiano: Y

Das kolumbianische Alphabet: Y

Y wie PartY

So frustrierend die wirtschaftliche Lage, das Leben, der Krieg mit der Guerilla auch sein mag - gefeiert wird trotzdem! Und im Party machen haben uns die Kolumbianer einiges voraus. Egal wo, egal wer, egal wie - bei stimmiger Musik und einer Flasche Aguardiente wird getanzt, was das Zeug hält. Doof nur, dass man als Mann immer ausgeben muss.
Ich habe mit meinen Schülern auch eine Abschiedsparty gemacht. In einem Schwimmbad mit Tanzfläche verbrachten wir am letzten Donnerstag den Abend, da ich nur noch eine Woche arbeite. In diesem Blog findet ihr einige Eindrücke der Feier.


Tropische Nächte - nicht Pseudo wie bei Hagenbeck, sondern in echt!

In kolumbianischen Bars und Diskos wird so gut wie nur spanische Musik gespielt - die verschiedenen Stile habe ich ja hier bereits vorgestellt. Das Schöne daran ist, dass man das Ganze mit einem Mädchen bzw. einer Frau tanzen kann, während man ja in deutschen Clubs meist mehr oder weniger alleine oder in der Gruppe vor sich hin tanzt.


Noch besser ist dann, dass das Ganze überhaupt kein Vergleich zum doch recht steifen deutschen Standardtanz ist. Den Grundschritt hat man nach ein paar Wochen intus und dann wird drauflos getanzt, die Hüfte geschwungen, die Arme bewegt, und mit dem Arsch gewackelt!


Ein festes Schema? Nö - Hauptsache es macht Spaß. Alles an Drehungen und Öffnungen ist möglich, bis einem schwindelig wird! Und wenn einem nach einer Weile die Ratschgurke der Salsa auf die Nerven geht, dann tanzt man halt Merengue oder Bachata.


Der einzige Tanz ohne Grundschritt ist Reggaetón. Nicht ohne Grund wird der Tanz auch "Sex mit Kleidung" genannt. Ob man sich nun kennt oder nicht - schon werden Körper an Körper zur Musik bewegt, ganz ohne Hintergedanken. Jedenfalls meistens.


So sieht das dann aus.

Donnerstag, 24. Juni 2010

El alfabeto colombiano: X

Das kolumbianische Alphabet: 

X wie eXtrem Verrückte

Viele Leute, die in Deutschland im Krankenhaus oder in psychiatrischer Behandlung wären, laufen hier frei auf der Straße herum. Das fehlende Sozialsystem führt zu sehr viel mehr Obdachlosen, die entweder vorher schon verrückt waren oder es auf der Straße werden. Täglich sehe ich Leute, die vor sich hin brabbeln.
Oft sammeln sie Müll oder winken Autos in Parkplätze ein. Diese "Auto-Toreros", wie ich sie wegen ihrer roten Tücher nenne, stehen manchmal alle 50 Meter in jeder Straße (!) und winken Autos in Parklücken ein oder aus.


Diese extrem Verrückten sind zwar meist ganz friedlich und recht amüsant, aber manchmal dann auch gefährlich. Schließlich weiß man nie, ob sie nicht plötzlich ein Messer ziehen - so wie neulich der Penner auf der Straße mit seinem Karren.

"¡Hé, mono, dame plata!"
Selbstverständlich holte ich auf diese freundliche Aufforderung "Hey, Blonder, gib mir Geld!" mein Portemonnaie hervor und zahlte dem guten Mann ein Abendessen - nicht. Wer mich mit "mono" (Blonder) anquatscht, kriegt grundsätzlich keine Antwort, es sei denn, es ist Mari, unser Hausmädchen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt weiß, wie ich wirklich heiße.
Ich ging also unbeirrt weiter und sah den Mann plötzlich mit einem Messer herumfuhrwerken.

"¡Vean, vean, un gringo!"
Nö, leider falsch. "Seht, seht, ein Gringo" trifft nicht auf mich zu, da Gringo eine eher unfreundliche Bezeichnung für US-Amerikaner ist. Für viele Kolumbianer sind alle Weißen US-Amerikaner und alle Asiaten Chinesen.
Wie dem auch sei, ich fing an zu laufen. Bin ich ein Angsthase? Aber sicher! Man muss einfach ein bisschen aufpassen und immer für alles gewappnet sein. Nie jemandem die Hand geben und nie stehen bleiben, wenn keine Polizei in der Nähe ist - das sind meine zwei Regeln zum erfolgreichen Überleben in Kolumbien.
Wenn ich zwei Meter Abstand halte, muss jemand erst einmal diesen Abstand überwinden, um mich angreifen zu können. Aber wie gesagt, die meisten Verrückten sammeln ganz friedlich ihren Müll, winken Autos ein oder brabbeln vor sich hin.

Mittwoch, 23. Juni 2010

El alfabeto colombiano: W

Das kolumbianische Alphabet: W

W wie Wasser


Unglaublich wichtig bei 30 Grad in tropischen Breiten. In den kolumbianischen Großstädten Bogotá, Cali und Medellín ist das Leitungswasser zum Glück gefiltert und mit Chlor versetzt, sodass man es ohne Bedenken trinken kann. In anderen Städten auf dem Land wird das Wasser einfach aus dem nächstbesten Fluss genommen und sollte dann so natürlich nicht getrunken werden.
Ich glaube, ich habe noch nie so viel Wasser in meinem Leben getrunken wie hier. Wenn ich in der Schule arbeite, trinke ich eine Flasche mit 2,5 Litern Inhalt - und wenn ich abends ins Fitnessstudio gehe, hau ich noch 'ne Flasche weg.
Dazu kommen noch Milch, diverse Säfte, eine Suppe und so komme ich locker auf sechs Liter Flüssigkeit. Das ist aber auch notwendig, weil ich hier schon bei leichter körperlicher Aktivität anfange, zu schwitzen.
Schon wenn man über einem warmen Essen sitzt, öffnen sich die Poren! Kolumbianer scheinen dieses Problem irgendwie nicht zu haben, sondern trinken nur dann und wann mal einen "cafesito" (Käffchen). So sind ich und meine Flasche, die ich täglich mit Wasser auffülle, bereits in der ganzen Schule bekannt.

Dienstag, 22. Juni 2010

El alfabeto colombiano: V - hoy con dos entradas

Das kolumbianische Alphabet: V - heute mit zwei Einträgen

V wie Verkehr / Vornamen

Eigentlich habe ich schon viel zu viel über Verkehr in Kolumbien geschrieben. Aber immer noch nicht genug. Schließlich werde ich pro Woche mindestens einmal fast überfahren, weil Fußgänger in Kolumbien so viel wert sind wie Kakerlaken, und eine Ampel immer nur eine Empfehlung darstellt.
Ausserdem wird dauernd, immer und überall gehupt - da helfen auch die aufgestellten Schilder nichts, auf denen steht: "Die Hupe lässt dich nicht schneller ankommen."
So fahren die Motorräder auch über den Fußweg, wenn es sein muss, und Autos biegen ohne zu blinken plötzlich ab. Sollte man sich dann zu dem Zeitpunkt gerade zufällig auf der Straße befinden, weil man ja nicht mit dem Abbiegen gerechnet hat, so wird man wüst beschimpft - schließlich raubt man ja dem Autofahrer, der dann bremsen muss, eine Sekunde seiner wertvollen Zeit.
Die hat er vorher wahrscheinlich nichtstuend verplempert und ist nun schon eine halbe Stunde zu spät. Wenn frei ist, wird gefahren - das ist die grundsätzliche Regel an einer Ampel. Und wenn dann plötzlich der Bus abbiegt, weil der eigentlich grün hatte, dann passiert sowas.


Gerade gestern, dadurch kam ich eine halbe Stunde zu spät. Egal, auch für mich reklamiere ich Passion. Wieso macht denn die Polizei nichts gegen das Überfahren der roten Ampeln, das auch in Kolumbien verboten ist?
Das Problem ist, dass die normale Polizei nur für die allgemeine Strafverfolgung zuständig ist. Für den Straßenverkehr gibt es den "tránsito" - eine zweite Art von Polizei, die konsequent durch Abwesenheit glänzt. Wenn man hier einen Strafzettel für ein Verkehrsvergehen bekommt, muss man schon extrem viel Pech haben!

Kommen wir also zu den Vornamen. In Kolumbien ist es wie in Deutschland besonders unter den ärmeren Leuten verbreitet, den Kindern englische Namen zu geben. Da aber in Kolumbien ALLES Spanisch ausgesprochen wird, muss eben die Schreibweise manchmal angepasst werden.
So gibt es den Namen Lady, der "Laddi" ausgesprochen wird. Will man, dass sich das Ganze Englisch anhört, dann schreibt man das Kind halt Leidy. Das Gleiche gilt für Jhefree und Brayan. Den Preis für den allerbesten Vornamen gewinnt allerdings Usnavy, gesprochen "Usnahfi". Was steckt dahinter?
Im Hafen von Buenaventura - eine der ärmsten Städte Kolumbiens, wo die Leute in Bretterbuden wohnen - kommen viele Schiffe an. Vorwiegend Containerschiffe, aber manchmal auch Kriegsschiffe aus den USA. Und auf denen steht halt "U.S. NAVY"! =D

Montag, 21. Juni 2010

El alfabeto colombiano: U

Das kolumbianische Alphabet: U

U wie Urlaub

Der wird in Kolumbien meist in der näheren Umgebung verbracht. Das liegt zum einen an der Familie, die man gerne und oft besucht, und zum anderen am Geld. Verreisen ist schließlich teuer, und das können sich viele Leute einfach nicht leisten. 95 Prozent meiner Schüler haben noch nie in einem Flugzeug gesessen, und oft ist ihre weiteste Reise zu einem Ort zwei Stunden weg von Cali gewesen.
Wenn ich dann erzähle, dass ich am Amazonas, an der Karibik, in Bogotá, in Medellín oder in Panama war, bekommen sie große Augen. Aber natürlich hängt das auch damit zusammen, dass ich Ausländer bin, und somit hier so viel verreise, wie ich kann. Schließlich bin ich jetzt hier, und habe jetzt die Zeit und glücklicherweise auch das Geld. Daher kenne ich Kolumbien mittlerweile besser als Deutschland!
Doch auch für die Leute mit genügend Geld existieren zwei Probleme. Erst einmal haben auch sie nur zwei Wochen Ferien pro Jahr, und zweitens bleiben ihre Reisen alle auf Kolumbien und die Nachbarländer beschränkt, wollen sie kein Visum beantragen.
Visum? Wann habt ihr das letzte Mal für einen Urlaub ein Visum beantragt? Ich habe in meinem Leben bisher zwei Visa benötigt, und beide nur, weil ich ein Jahr in den USA bzw. Kolumbien bleiben wollte. Ein Kolumbianer braucht dagegen für fast jedes Land ein Visum.

Was verdienen Sie? Wo arbeiten Sie? Wie lange arbeiten Sie dort schon? Haben Sie Kinder? Was machen Ihre Kinder? Was wollen Sie in unserem Land? Wo wollen Sie hin?
Das alles musste meine Gastmutter ausfüllen, als sie mit ihrem Unternehmen für zwei Wochen nach Europa wollte - nach Deutschland, Spanien und England. Halt, Schengen gilt für Ausländer für England nicht! Also das Ganze zweimal - wohlgemerkt, eine geschäftliche Reise für zwei Wochen. Merkt ihr was?
Wir sind unglaublich privilegiert in Deutschland und Europa! Für welches Land brauchen wir denn ein Visum? Nordkorea vielleicht. Und natürlich ist es unfair - aber auf der anderen Seite verständlich. Wer als Deutscher nach Kolumbien reist, will wohl kaum da bleiben - und wenn, dann hat er eine hohe Bildung und ist eine Bereicherung für das Land.
Als Kolumbianer in Deutschland liegt der Anreiz zum Dableiben sicherlich sehr viel höher, und dem wirkt die deutsche Regierung verständlicherweise entgegen. Daher:

Sonntag, 20. Juni 2010

El alfabeto colombiano: T

Das kolumbianische Alphabet: T

T wie Taxi

Ein Taxi fährt mit 80 Sachen durch die Stadt. Der Taxifahrer rast ungebremst über alle Kreuzungen, ohne die roten Ampeln zu beachten. Ein wenig später wieder eine rote Ampel, die aber plötzlich auf grün schaltet. Der Taxifahrer macht eine Vollbremsung, die Reifen quietschen, der Fahrgast fliegt nach vorne, und das Taxi kommt gerade noch vor der Kreuzung zum Stehen.
Da wird es dem Fahrgast zu bunt. Vollkommen entnervt schreit er: "Sagen Sie mal, bei den roten Ampeln rasen Sie ungebremst weiter, und vor einer grünen Ampel machen Sie eine Vollbremsung. Was soll das eigentlich?" Entgegnet der Taxifahrer trocken: "Naja, es hätte ja sein können, daß jetzt ein Kollege kreuzt!"
Ein Witz in Deutschland - in Kolumbien genau so um zwei Uhr morgens erlebt. Die kleinen gelben Autos meist japanischer Herkunft machen gefühlt ein Viertel der gesamten Autos in Cali aus - realistisch geschätzt sind wir wahrscheinlich bei 5%. Immer noch viel. Wenn man ein Taxi braucht, muss man nur 20 Sekunden warten und schon kommen ein, zwei, drei Taxen vorbei. Doof nur, dass man sie nicht nehmen sollte - jedenfalls als Weißer nicht.
Schliesslich gibt es etwas, was sich "paseo milionario" nennt - die Millionärstour. Auf dem Weg zu seinem Ziel steigen dann plötzlich ein oder zwei Komplizen des Taxifahrers zu, um einen auf eine recht bestimmte Art und Weise - mit Waffengewalt - zur Herausgabe aller seiner Wert- und Unwertsachen zu zwingen.
Solche Geschichten tue auch ich oft als Schauermärchen ab, die Reisende abschrecken sollen - bis es dann passierte. Zum Glück nicht mir, aber dafür meinem besten Freund Eric und seiner Freundin Lisa in Bogotá. Während Eric nicht allzu deutsch aussieht, tut Lisa dies umso mehr - blonde Haare, blaue Augen, groß. (Ja, die Geschichte hab ich schon mal veröffentlicht.)
Nachdem sie im Dezember die Weihnachtseinkäufe erledigt hatten, stiegen sie in ein Taxi auf der Straße. Im Nachhinein fielen Eric zwei Sachen auf: Das Taxi war nicht registriert - das sind die Taxen wohl fast alle in Bogotá, während man hier in Cali lange nach einer Registrierung suchen kann - und der Taxifahrer hatte ein abgeschnittenes Ohr. Besser gesagt, er hatte es nicht mehr.
Aber wie das so ist, man wirft alle Ängste in den Wind und denkt sich, "da wird schon nichts passieren". Und ganz ehrlich - ich handle hier in Kolumbien dauernd so. Sonst kann man hier nicht leben. Die Gefahr gehört zur Lebenserfahrung, die ich hier mache, dazu. Ich versuche zwar, das Risiko zu minimieren und die Lebensfreude zu maximieren, aber irgendwie kollidieren die beiden immer.
In einer dunklen Straße stiegen dann zwei Männer zu, die ihnen sogleich ein Messer an den Hals setzten und mit Erics und Lisas Kreditkarten ein paar Geldautomaten abklapperten. Dritter Fehler - nie, NIE die Kreditkarte mitnehmen. Nach etwa einer Stunde wurden sie dann zum Glück unversehrt freigelassen. Sie waren zwar um etwa 700 Euro ärmer, aber neben dem Geld hätte ihnen ja noch viel mehr passieren können. Verletzung, Vergewaltigung, Mord. Siehe die Statistik bei G wie Gewalt.
In Deutschland hat wahrscheinlich der Taxifahrer Angst vor dem Fahrgast. Hier in Kolumbien ist es andersherum.

Samstag, 19. Juni 2010

El alfabeto colombiano: S

Das kolumbianische Alphabet: S

S wie Schule

Schule ist in Kolumbien wie die Behandlung der Schwarzen nach der Sklaverei in den USA: "seperate but equal" (getrennt, aber gleich). Und wie man ja weiß, war das Ganze nur auf dem Papier gleich - in der Wirklichkeit jedoch wurden die Schwarzen in den Südstaaten stark benachteiligt.
Den öffentlichen Schulen hier geht es genau so - man kommt zwar am Ende mit dem gleichen Abschluss raus wie an einer Privatschule, dort jedoch sind die Klassen kleiner, die Ausbildung der Lehrer und die Ausstattung besser. Kein Wunder bei Schulgebühren von bis zu 200 Euro im Monat - und das wäre ja selbst in Deutschland 'ne Menge Holz!
Somit schickt jeder Kolumbianer, der es sich leisten kann, seine Kinder auf eine Privatschule. In Deutschland würde ich es nie mit meinen Kindern machen, doch hier schon - durch meine Arbeit an der Schule sehe ich täglich, wie es um die öffentlichen Schulen bestellt ist.
Das Colegio INEM, an dem ich arbeite, ist angeblich eine der besten öffentlichen Schulen Calis. Na, dann will ich nicht die schlechtesten sehen! Unglaublich viel Unterrichtsausfall gepaart mit Lehrern, die grundsätzlich 10-30 Minuten zu spät kommen und zu früh aufhören, führt dazu, dass auch die Schüler die Motivation verlieren.

Warum die Hausaufgaben machen, wenn es eh keiner kontrolliert?
Wozu pünktlich kommen, wenn es eh egal ist?
Weshalb lernen, wenn der Lehrer während der Arbeit einen Kaffee trinken geht?
Wieso im Unterricht mitarbeiten, wenn der Lehrer noch nicht einmal meinen Namen kennt?
Diese Probleme habe ich in meinem Unterricht erkannt und gebannt. Das heißt:

Die Hausaufgaben werden immer kontrolliert.
Wer zu spät kommt, wird aufgeschrieben.
Wer in den Arbeiten schummelt oder zu schummeln versucht, der bekommt eine 6.
Ich lerne die Namen der Schüler und notiere mir jede Stunde die Mitarbeit.
Obwohl meine Schüler zum Teil aus sehr armen - und damit gefährlichen - Vierteln stammen, habe ich keine Probleme. Erstens sind meine Klassen freiwillig - wem es nicht gefällt, der kann zurück zu seiner normalen Klasse gehen - und zweitens sind die Schüler froh, endlich mal jemanden als Lehrer zu haben, der auch wirklich Englisch spricht und versucht, den Schülern individuell zu helfen. Dadurch respektieren sie mich und meine Regeln.
Unabhängig von privaten und öffentlichen Schulen ist nämlich die Qualität der Englischlehrer in Kolumbien ziemlich mau - jeder deutsche Zehntklässler spricht besser Englisch als einige meiner Kollegen, die noch nie im englischsprachigen Ausland waren und von "he, she, it - das S muss mit" noch nie etwas gehört haben.

Freitag, 18. Juni 2010

El alfabeto colombiano: R

Das kolumbianische Alphabet: R

R wie Reis

Ich hatte ja schon ein paar mal erwähnt, wie wichtig Reis in Kolumbien ist. Als Grundnahrungsmittel in den siebziger Jahren von der Welthungerhilfe eingeführt, ist Reis heutzutage aus keiner kolumbianischen Küche mehr wegzudenken. Trotz aller sozialen Ungleichheiten und Unterschiede ist der Reis überall gleich. Auch die Oberschicht kocht ihn nur mit Wasser... und das täglich.

Comida sin arroz no es comida.
Sinngemäß: ein Essen ohne Reis ist kein Essen. Und das gilt zweimal täglich. Hühnchen? Mit Reis. Bohnen? Mit Reis. Pizza? Mit Reis. Spaghetti? Mit Reis! Das ist dann wirklich nicht mehr schön. Was für ein Glück, dass ich bald ab-reise. =D
Ich esse also morgens Müsli - es gäbe sonst auch Rührei mit Reis - doch zum Mittagessen und Abendbrot kann man sich nicht um den Reis drücken. Mittags gibt es Reis mit Hühnchen oder sonstigem Fleisch in der Schule - der Vorteil am Hühnchen ist, dass man sieht, dass es mal ein Huhn war und kein Hund, was ich mich beim Verzehr des "sonstigen Fleisches" schon das eine oder andere Mal gefragt habe.
Huhn oder "pollo" ist in Kolumbien übrigens eine Auszeichnung für jemanden, der toll oder süß ist. Neulich meinte ein Mädchen zu mir, ich sei "lindo con sabor a pollo". Hübsch mit Geschmack nach Huhn. Na denn.
Abends gibt es noch einmal warmes Essen ähnlich dem Mittagessen, und natürlich mit Reis. Ein Kolumbianer isst also 14 Mal wöchentlich, oder 730 Mal jährlich Reis. Finde ich zwar ein bisschen eintönig, aber ersetzen wir mal "Kolumbianer" mit "Deutsche" und "Reis" mit "Brot", so stellt man fest, dass wir auch nicht anders sind. (Sind wir doch. Es gibt nämlich verschiedene Brotsorten, während Reis immer gleich Reis bleibt.)

Donnerstag, 17. Juni 2010

El alfabeto colombiano: Q

Das kolumbianische Alphabet: Q

Q wie Quadrat

Und zwar ein Straßenquadrat, auch Block genannt. Hier in Kolumbien ist einfach überall unglaublich viel Verkehr. Ich wohne an einer vierspurigen Einbahnstraße, die einen Block vorher eine sechsspurige Straße kreuzt und zwei Blöcke davor mit einer weiteren vierspurigen Einbahnstraße zusammentrifft. Zugegebenermaßen wohne ich mehr oder weniger im Stadtzentrum, aber das System zieht sich durch die ganze Stadt: Jede Straße ist eine Hauptstraße!
Dadurch habe ich zwar weniger Ruhe zu Hause, aber unzählige Möglichkeiten, mein Ziel zu erreichen. Wenn ich in Deutschland in Hamburg Auto fahre, gibt es meist nur eine sinnvolle Route, und die ist auf dem Hinweg gleich wie auf dem Rückweg. Hier in Cali habe ich auf der Fahrt nach Süden mehrere Optionen:

Nehme ich die Calle 5? Oder die Avenida Roosevelt (offiziell: Calle 6)? Oder doch lieber die Autopista Suroriental (Calle 10)? Sonst könnte man auch über die Avenida Pasoancho (Calle 13) fahren!
Auf dem Rückweg dann das gleiche Spiel:

Calle 5? Calle 9? Autopista? Pasoancho?
Dann bin ich zwar irgendwo in der Nähe meines Hauses - aber wie komme ich jetzt dahin? Wie bereits erwähnt, ich wohne an einer Einbahnstraße, genau wie die Calle 6 und die Calle 9 nur in eine Richtung gehen.
Erschwerend kommt hinzu, dass ich an der Calle 5 wegen des MIO-Systems nie links abbiegen darf. Also fährt man ein paar Straßenquadrate früher rechts oder düst nach der Carrera 34 einmal um den Po, um endlich anzukommen.
Man muss sich tatsächlich schon beim Losfahren Gedanken darüber machen, sonst ist man plötzlich nah bei seinem Haus, kommt aber nicht hin und muss noch einmal 5 Minuten im Kreis fahren. Ihr seht - nicht nur der Verkehr strengt an, sondern auch die Straßenführung.

Mittwoch, 16. Juni 2010

El alfabeto colombiano: P

Das kolumbianische Alphabet: P

P wie Polizei

Anmerkung: Beachtet auch diesen Eintrag mit dem Video über meinen Arbeitstag!

Hatte ich schon einmal erwähnt, dass Kolumbien ein Polizeistaat ist? Dann wird's aber allerhöchste Zeit. Alle paar Straßen stehen meistens zwei Polizisten herum und beobachten die Gegend. Sie sind zwar meistens nur mit Schlagstöcken bewaffnet, aber geben einem doch ein Gefühl von Sicherheit. Besonders vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen diesen Sonntag ist die Polizeipräsenz drastisch erhöht worden, da die Waldbande gerne mal eine Autobombe explodieren lässt.
Damit kommen wie auch schon zu den Gründen für die Polizei an jeder Ecke, die nicht dazu da ist, den Bürger vor Kleinkriminellen zu schützen. Vielmehr geht es um die Bekämpfung der Waldbande - wir nennen sie mal beim richtigen Namen: Guerilla. Diese linksgerichtete Terrororganisation kämpft wie damals die RAF gegen den Staat, ist aber noch viel böser.
So werden dann und wann einmal Bomben in der Nähe öffentliche Gebäude zur Explosion gebracht - oder auch mal einfach so auf einem Marktplatz, wie in Afghanistan, mit dem Unterschied, dass die Kolumbianer Katholiken sind. Also gibt's keine Jungfrauen beim Tod und somit auch keine Selbstmordattentäter.
Außerdem entführt die Guerilla auch immer wieder Polizisten und Militärs, die dann ewig gefangen gehalten werden. Gerade vor fünf Tagen wurden vier Militärs nach 12 Jahren (!) Gefangenschaft befreit, in denen sie nach eigener Aussage ständig gefesselt waren.
Neben den Rumsteh-Polizisten mit den Schlagstöcken, die oft Auszubildende sind, gibt es auch noch mehr oder minder bewaffnete Staatsdiener - alles zwischen Pistole und Maschinengewehr als Bewaffnung, Uniform und Ganzkörperschutz als Bekleidung sowie Pferd, Motorrad oder Jeep als Fortbewegungsmittel ist auf Kolumbiens Straßen anzutreffen. Manchmal weiß man gar nicht, ob das nun Polizisten, Militärs oder Spezialeinheiten sind.
Da man in Kolumbien jedoch an Waffen gewöhnt ist, stört sich da keiner dran. Auch für mich ist mittlerweile beim Restaurant nebenan der Wachmann mit seiner abgesägten Schrotflinte normal - wenigstens weiß ich nun, wohin ich flüchten muss, wenn jemand versucht, mich auszurauben. Auch die "porteros" (Türsteher) im Hochhaus, in dem ich wohne, haben alle einen Revolver. Das ist halt so. Man stumpft ab.

Dienstag, 15. Juni 2010

El alfabeto colombiano: O

Das kolumbianische Alphabet: O

O wie Obst

Anmerkung: Beachtet auch diesen Eintrag mit dem Video über meinen Arbeitstag!

So, heute gibt's mal wieder einen Eintrag mit vielen Bildern, die noch verwertet werden wollen! Ich war nämlich mit meinem Gastvater an einem Samstag in der "galería" einkaufen, in der wie auf einem großen überdachten Wochenmarkt alles mögliche an frischen Waren angeboten wird. Also machen wir einmal einen virtuellen Rundgang.


Die lulo hat eine weiche, behaarte Schale. Das Innere schmeckt nach saurer Kiwi. Meist werden Lulos zu Saft verarbeitet - lecker!


Guanábanas werden bis zu 30 Zentimeter lang und schmecken wie Chirimoyas, die ihr vielleicht kennt. Sie sind recht teuer, und aus ihrem weißen, sauer schmeckenden Fruchtfleisch wird oft mit Milch zusammen Saft hergestellt.


Papayas kennt ihr ja. Sie sind meistens etwa 30 Zentimeter lang und so deutlich größer als die in Deutschland erhältlichen Früchte.


Die violetten mangostinos sind erst seit etwa einem halben Jahr auf dem kolumbianischen Markt erhältlich. Lecker, aber teuer.
Die blassen curubas im Vordergrund haben im Inneren an Maracuja erinnerndes Fruchtfleisch, das bitter schmeckt und somit erst als Saft mit Milch genießbar ist.


Die maracuyás sind ganz anders als die deutschen Passionsfrüchte. Erst einmal sind sie deutlich größer, wie man im Vergleich mit der Ananas links sehen kann, und außerdem sind sie sauer. Richtig sauer. Also wird normalerweise mit ordentlich Zucker ein leckerer Saft gemixt.


Im Vordergrund sehen wir die tomate de árbol, die vielleicht auch in Deutschland als Baumtomate bekannt ist. Wie immer schmeckt das Fruchtfleisch nicht so doll, sodass man - ihr ahnt es bereits - einen Saft daraus macht. Und der schmeckt unvergleichlich und richtig gut!


Das hier sind onáns. Geschmacklich und vom Fruchtfleisch her sind sie ähnlich wie guanábanas, aber süßer, sodass man sie einfach so isst.


Neben den Früchten gibt es auch noch eine Ecke, wo man etwas herzhaftes essen kann. Da hätten wir beispielsweise lechona - Reis mit Schwein und Gemüse, der in der Haut eben dieses Schweins zubereitet und gebacken wird.


Oder wollt ihr lieber rellena essen? Die Wurst ähnelt vom Aussehen her frittierter Scheiße und besteht aus Fleisch, Blut, noch ein paar Zutaten und - wer hätte es geahnt - Reis. Daher auch der Name, der so viel wie "übervoll" bedeutet. Ich habe mich bisher erfolgreich darum gedrückt - man muss ja nicht alles probieren!

Montag, 14. Juni 2010

El alfabeto colombiano: N

Das kolumbianische Alphabet: N

N wie Natur

Anmerkung: Beachtet auch diesen Eintrag mit dem Video über meinen Arbeitstag!

Kolumbien ist Wald. Ganz viel Wald. Deshalb gibt's ja auch die Waldbande. Ob die nun hinter dem nächsten Hügel steckt oder nicht, kann man wegen der hügeligen und zerfurchten Landschaft nur schwerlich wissen, und das ist auch das Problem beim Kampf gegen Guerilla, Kokainpflanzer, Goldgräber oder alles in Personalunion.
Auf dem Treffen der Hälfte der AFS-Freiwilligen im Januar - das sogenannte "Midstay-Camp" - wurden wir als groß angekündigten Ausflug dann auch praktischerweise auf einen Spaziergang durch den Wald geschickt. Jedoch waren wir alle vorher schon im Amazonas gewesen - daher war das Ganze etwas witzlos.
Das muss man sich so vorstellen, wenn man in Deutschland - hmm, was haben wir denn tolles... sagen wir mal, Autos :D - also wie wenn man in Deutschland zuerst Mercedes in Untertürkheim besuchen würde, mit Fabrik und Museum und allem Drum und Dran, und einen Monat später dann groß angekündigt einen Gebrauchtwagenhande besuchen würde. Autos bleiben nun einmal Autos, und Wald bleibt Wald.
Neben Wald gibt es hier aber noch ganz viel weitere Natur, seien es einsame Strände, Flüsse oder Inseln - sowas gibt es in Deutschland auf jeden Fall nicht. Beispiele gibt es ja in diesem Blog genug. Ich werde die Möglichkeit vermissen, sich wie hier für ein paar Stunden oder Tage an einem Ort niederzulassen, wo einen keiner stört, wo kein Verkehrslärm ist - wo man einfach mal für sich ist und durchatmen kann.

Sonntag, 13. Juni 2010

El alfabeto colombiano: M

Das kolumbianische Alphabet: M

M wie Musik

Anmerkung: Beachtet auch diesen Eintrag mit dem Video über meinen Arbeitstag!

Man hört dauernd Musik in Kolumbien, sei es auf der Straße, zu Hause, im Auto oder sonst wo. Das geht einigen anderen Deutschen zwar auf den Geist, ich finde es aber ganz schön und so wollte ich euch einmal die meistgehörten Sänger und Bands in Kolumbien vorstellen.

Shakira

Die kennt wohl jeder. Die Kolumbianer finden allerdings, sie sei zu abgehoben und habe sich zu weit vom kolumbianischen Volk entfernt. Mir egal, ihre Musik ist trotzdem toll. Ihr Lied mit dem äußerst sinnvollen Titel "Waka Waka* - Esto es África"  (Waka Waka* - Dies ist Afrika) wird während der WM-Spiele im Fernsehen alle 5 Minuten (!) kurz angespielt! In Deutschland würden die Fans am Fernseher wohl wütende Protestbriefe an den Sender schreiben, aber wir sind ja in Kolumbien. Während ich diesen Eintrag schreibe, höre ich schon seit 20 Minuten genau das Lied von der Straße.

* Auf Fang, einer afrikanischen Sprache, bedeutet Waka Waka "Los geht's".

Juanes

Der Liebling der Kolumbianer und sowieso der ganzen Welt. Juanes ist politisch engagiert, sodass er im letzten Jahr sogar ein Konzert im abgeschotteten Kuba gegeben hat. Die Kolumbianer lieben ihn im Gegensatz zu Shakira, da er "sein Volk" nicht vergessen hat.

Aventura

Die Band Aventura singt den Musikstil Bachata. Besonders unter Jugendlichen ist Aventura beliebt und auch ich stehe auf die US-Amerikaner mit hispanischen Wurzeln, die ich vor einigen Monaten vom Fenster aus hören konnte, als sie ein Konzert im Fußballstadion von Cali gaben. Das ist nämlich nur einen Block von meinem Zuhause weg.

Und natürlich gibt es auch noch ein paar musikalische Beispiele für die Tänze, die in Kolumbien am weitesten verbreitet sind:

Salsa

Guayacán - Oiga, mire, vea (Hören Sie, schauen Sie, sehen Sie)


Merengue

Rikarena - No puedo olvidarla (Ich kann sie nicht vergessen)


Bachata

Aventura - Dile al amor (Sag es der Liebe)


Reggaetón

Son de Ak - Los buchaos (Die Besoffenen)

Samstag, 12. Juni 2010

El alfabeto colombiano: L

Das kolumbianische Alphabet: L

L wie Liebe

Anmerkung: Beachtet auch diesen Eintrag mit dem Video über meinen Arbeitstag!

Ach ja, die Liebe. Eine Medaille mit zwei Seiten in Kolumbien. Auf der einen Seite werden Liebe und Sex aus dem Alltagsleben verdrängt, auf der anderen Seite sind die Kolumbianer (und Kolumbianerinnen) heißblütige Latinos, die ihrem Ruf auch irgendwo gerecht werden. Was also tun?
Man verlagert das Problem einfach, klassisch kolumbianisch - aus den Augen, aus dem Sinn. An gewissen Straßen und außerhalb der Stadt steht daher ein Stundenhotel neben dem anderen, denn zu Hause geht wie bereits erwähnt nix. Dass wir in Deutschland keine Stundenhotels haben, wird immer wieder mit Verblüffung aufgenommen.

Und wo macht man dann Liebe?
Zu Hause, bei sich oder bei seinem Partner.

Da gibt es doch gar keine Privatsphäre?!
Doch, bei uns schon. Deshalb ist es ja möglich.

Und wo gehen die Männer dann hin, wenn sie ihre Freundin betrügen wollen?

Eine ernstgemeinte und genau so mir gestellte Frage, die dann auch gleich zeigt, wieso hier Beziehungen unglaublich eng und umklammernd sind, wie ich selber feststellen musste. Sowohl Frauen als auch Männer - gut, besonders die Männer - sind ziemlich untreu, sodass man oft gar keine richtige Beziehung eingeht.

Freitag, 11. Juni 2010

El alfabeto colombiano: K

Das kolumbianische Alphabet: K

K wie Küche


Anmerkung: Beachtet auch diesen Eintrag mit dem Video über meinen Arbeitstag!

Eine kolumbianische Küche besteht aus einem Kühlschrank, einem Geschirrschrank, einer Mikrowelle, einer Spüle und einem Reiskocher. Geschirrspülmaschinen gibt es fast keine, und wenn mal jemand eine hat - wie meine Tante - dann wird sie nicht benutzt. Das sei ja viel zu eklig, das schmutzige Geschirr da reinzustellen und dann abzuwarten, und überhaupt auch, das würde nie sauber werden. Na dann.
Ich finde es zwar grundsätzlich ekliger, die ganzen Essensreste mit meiner Hand in Berührung kommen zu lassen, aber das muss jeder selber wissen. Ich freue mich jedenfalls besonders deshalb wieder auf Deutschland!
Was jetzt eigentlich in der Küche genau wo steht, weiß keiner. Wo ist das Mehl? Wo ist eine große Schüssel? Wo sind Backformen? Sollte man ja denken, dass das Hausmädchen Mari sowas weiß, aber:

Weiß ich nicht. Gibt's nicht.
Wie, es gibt kein Mehl?

Nee.
Und was ist das hier?

Ach so, Mehl.
Aber das darf man ihr jetzt nicht übelnehmen, schließlich braucht sie auch kein Mehl. Hauptsache, es gibt Reis (dazu später mehr unter R). Kuchen backen? Pizza machen? Nudeln kochen? Nö, lieber Reis. Gewürze? Wozu, es gibt doch Koriander, der hier jeden Tag in der Suppe ist. Vor Kolumbien wusste ich nicht, wie Koriander schmeckt. Reicht euch als Antwort "nicht"? Naja, man gewöhnt sich an alles.
So weiß dann auch keiner, dass man Schlagsahne schlagen kann oder dass man für einen vernünftigen Kuchen auch eine Backform braucht. Die wiederum gibt's nicht zu kaufen. Ihr seht, wenn man gerne (etwas anderes außer Reis) kocht oder etwas backen will, kann dieses Land sehr frustrierend sein. Und das Abwaschen danach auch. Da lass ich doch lieber Mari ran.

Donnerstag, 10. Juni 2010

El alfabeto colombiano: J

Das kolumbianische Alphabet: J

J wie Jahreszeit

Anmerkung: Beachtet auch diesen Eintrag mit dem Video über meinen Arbeitstag!

In Kolumbien ist gerade Winter. Recht so, mögt ihr euch denken, soll der Bengel ruhig auch mal frieren! Doch bei genauerem Hinsehen fällt euch sicherlich wieder ein, dass Kolumbien am Äquator liegt. Somit gibt es keine Jahreszeiten, wie wir sie aus Deutschland kennen. Die Sonne geht jeden Tag um 6 Uhr auf und um 6 Uhr unter, und die Temperatur bewegt hier in Cali sich zwischen 25 und 35 Grad Celsius hin und her. Nix mit frieren! Wieso ist dann also gerade Winter?
Der Begriff steht hier nicht für Kälte, sondern für Nässe. Wir liegen hier schließlich einigermaßen im tropischen Regenwald, und während die Sonne im Zenit steht, was zweimal jährlich der Fall ist,  schüttet es fast täglich - so zumindest die Theorie. In der Praxis ist die Regenzeit im letzten Jahr zwischen September und Dezember quasi ausgefallen, was auf einen besonders ausgeprägten "El Niño" geschoben wird. Der soll übrigens auch an eurem harten Winter Schuld sein.
Doch in diesem Jahr konnte ich feststellen, was Regenzeit bedeutet. Von Februar bis Juni regnet es zwar auch nicht täglich - aber wenn es regnet, dann schüttet es! Überflutete Straßen und Busse (und Klassenräume, weil das Dach leckt) sind dann an der Tagesordnung. Da es zu wenige Gullys gibt und die Straßen manchmal doch recht schräg gebaut sind, gibt es dann gerne einmal eine Unterbodenwäsche gratis.

Mittwoch, 9. Juni 2010

El alfabeto colombiano: I

Das kolumbianische Alphabet: I

Anmerkung: Beachtet auch den Eintrag weiter unten mit dem Video über meinen Arbeitstag!

I wie Im- und Export

In Kolumbien kann man eigentlich alles produzieren. Das Land hat nutzbare Flächen zwischen 0 und 3000 Metern über dem Meeresspiegel und so wird jede Zone für bestimmte Produkte genutzt. In der heißen Zone zwischen 0 und 1000 Metern Höhe werden vor allem Tropenfrüchte und industriell nutzbare Pflanzen wie Baumwolle oder Tabak angebaut. Bis 2000 Meter sieht man dann hauptsächlich Kaffee und alle möglichen Gemüsesorten, und in der kühlen Zone bis 3000 Meter oder höher sind Tierhaltung und Getreideanbau vorherrschend.
Außerdem besitzt das Land eine Menge Bodenschätze wie beispielsweise Gold. Das führt momentan dazu, dass in der Nähe Calis ein ganzes Flusssystem von Goldsuchern zerstört wird, die so eine Chance sehen, der Armut zu entkommen. Die Polizei und das Militär besitzen keine Verwaltungshoheit und wurden mit Waffengewalt der Goldsucher vertrieben. Seitdem streiten sich die Politiker, ob man die Goldsuche nun erlauben oder verbieten soll, und der ganze Fluss geht "den Bach runter".
Kolumbien hat als Schwellenland einen Mangel an Devisen, weshalb es auf den Export angewiesen ist. So wird beispielsweise der beste Kaffee an internationale Konzerne wie Nestlé verkauft, und auf den kolumbianischen Markt kommt nur der zweitbeste Kaffee. Das erinnert an die DDR - mit dem Unterschied, dass es glücklicherweise in Kolumbien alles zu kaufen gibt, was man kaufen will. Als bekannteste Exportprodukte sind die drei C's zu nennen - "coca, café, cintura de Shakira" (Kokain, Kaffee, Shakiras Hüfte)!
Importiert werden vor allem industriell hergestellte Güter wie beispielsweise Kühlschränke, vieles davon aus den USA. Größter Exportpartner sind ebenfalls die USA, seitdem der Nachbarstaat Venezuela mit seinem verrückten Präsidenten Hugo Chávez fast alle Kontakte mit Kolumbien abgebrochen hat. Auch mit Ecuador sind die Beziehungen angespannt, seit das kolumbianische Militär auf ecuadorianischem Territorium die Waldbande gejagt hat.
Somit ist Kolumbien recht isoliert in Südamerika, da es in die anderen Nachbarländer Brasilien, Peru und Panama keine Straßenverbindungen gibt.

La vida cotidiana. Parte Tres

Das alltägliche Leben. Teil Drei

Diesmal in Form eines Videos. Ich hoffe, es gefällt euch! Für bessere Qualität könnt ihr unten auf "720p HD" klicken.

Dienstag, 8. Juni 2010

El alfabeto colombiano: H

Das kolumbianische Alphabet: H

H wie Haus

Wenn ich in Kolumbien ein Haus besitze, gehört es nicht nur mir, sondern der ganzen Familie. So komme ich manchmal nach Hause und plötzlich sitzt die Oma auf dem Sofa und strickt, ohne dass jemand anderes da wäre. In Deutschland würde man wohl fragen: "Hast du kein Zuhause?" Doch hier ist mein Haus auch gleichzeitig das Haus der Oma.
Das Gleiche gilt für die Zimmer - schließlich gehört mein Zimmer wie das Haus gleichzeitig der ganzen Familie, und so geht jeder ein und aus, wie es ihm gerade passt. Deshalb gibt es hier in Kolumbien auch Stundenhotels, da mein Zimmer genauso privat ist wie die Küche oder das Wohnzimmer. Da muss man sich dran gewöhnen, und so ganz überzeugt hat mich das kolumbianische Konzept eines Hauses noch nicht.
Neben etwaigen Familienmitgliedern wuselt bei uns auch noch Mari, das Hausmädchen, rum. Sie wohnt 24 Stunden und 7 Tage die Woche bei uns und ist immer zu Hause. IMMER. Sie hat nämlich keinen Schlüssel. Sie kocht, wäscht, bügelt und strickt - und guckt den Rest der Zeit fern in ihrem Kabuff. Seltsamerweise hat sie keine Ambitionen, aus ihrem Leben etwas Besseres zu machen, und so richtig viel Ahnung hat sie auch nicht - jedenfalls kenne ich mich mittlerweile besser in der Küche aus als sie.
Hausangestellte, die weniger als den Mindestlohn verdienen, sind meines Erachtens nach nicht viel besser als Sklaven gestellt. Gut, sie können kündigen. Aber was dann? Es gibt einfach zu viele Leute ohne eine schulische oder berufliche Ausbildung hier.

Montag, 7. Juni 2010

El alfabeto colombiano: G

Das kolumbianische Alphabet: G

G wie Gefahr

Mittlerweile sind drei Orte auf meiner "No-Go-Liste" eingetragen - jeweils dort, wo ich fast ausgeraubt wurde. Wichtig ist im täglichen Leben selbstverständlich, dass man ständig auf der Hut ist und keinen Reichtum zur Schau stellt durch Handys, Uhren oder Ketten. Das kann man aber auch in jedem Reiseführer lesen.
Doch wie ich selber feststellen durfte, ist es zudem von absoluter Priorität, immer in Bewegung zu bleiben. Bei einem flotten Schritt kann ein potentieller Angreifer schon einmal nicht zu Fuß von hinten kommen, da meine Beine ungleich länger sind als die eines Kolumbianers. Bei Gefahr von vorne kann ich dann gegebenfalls ausweichen - oder mich besonders groß und einschüchternd machen, sodass die andere Person die Straßenseite wechselt. Auf jeden Fall nie doof in der Gegend rumstehen, da macht man sich nur zum Opfer. Da denkt jetzt jeder: "Klar, macht Sinn." Nur habe ich diesen Hinweis noch nie gelesen, deshalb veröffentliche ich ihn hier.
Wenn ich an der Straße auf einen Bus warte, betrachte ich gerne mit einem wohligen Schauern die Schilder an den Bussen. Eine Liste der Ziele von recht gefährlich bis richtig heftig - da regieren die Gangs, wie bei GTA:

Floralia. Poblado. Mariano Ramos. Calimio. Decepaz. Siloë. Manuela Beltrán.
Uii, die Viertel am Ende sind schon richtig assig. In Manuela Beltrán wird pro Woche durchschnittlich eine Person umgebracht, und sei es nur für 5000 Pesos (2 Euro) in der Tasche. Und das sind jetzt nicht irgendwelche Gerüchte, denn ich habe das aus der Zeitung. Auf meine Bestürzung darüber meinte eine Lehrerin an der Schule: "Was, nur 50 Leute im Jahr? Hast du dich vielleicht verlesen und meintest Monat?" Nein, habe ich nicht.
1.645 Leute wurden in Cali letztes Jahr umgebracht, was bei etwa 2,5 Millionen Einwohnern einer Mordquote von 66 Leuten pro 100.000 Einwohnern entspricht. Deutschland im Vergleich dazu liegt bei etwa 1 Mord pro 100.000 Einwohnern. Was die hiesige Mordquote bedeutet, zeigt die folgende Rechnung: Von zwanzig Neugeborenen in Cali wird bei einer angenommenen Lebenszeit von 80 Jahren eines im Laufe seines Lebens umgebracht. Heftig, oder?
Selbst in Kolumbien sind wir führend! Die Gründe dafür sind einfach erklärt: in der Umgebung von Cali, im "Valle del Cauca" (Cauca-Tal), ist die Guerilla aktiv und vertreibt die Leute von ihren Dörfern, woraufhin sie in eines der Elendsviertel am Rande der Stadt ziehen. Dort haben besonders die jungen Leute, viele von ihnen Analphabeten, keine Aussichten auf einen Arbeitsplatz - und so entsteht die Gewalt hier.

Sonntag, 6. Juni 2010

El alfabeto colombiano: F

Das kolumbianische Alphabet:F

F wie Familie

In Kolumbien geht Blut über alles - über Freundschaft, über Arbeit, über Ehe, einfach alles. So telefonieren meine Gasteltern beispielsweise einmal täglich mit ihrem Sohn in den USA. Und wenn es einmal nicht klappt, ist der Sohn froh, endlich mal Ruhe von den Eltern zu haben?
Denkste! Da kommt dann vom Sohn sogleich die Frage, ob die Eltern ihn schon vergessen hätten! Daher wird konsequent einmal am Tag angerufen, und sei es auf dem Handy. Ich glaube, ich würde durchdrehen, wenn meine Eltern einmal täglich mit mir sprechen wollten, und genau aus dem Grunde weiß in Deutschland auch keiner meine Handynummer aus Kolumbien. Man muss ja neben der Hautfarbe und der Größe nicht auch noch durch Gebabbel in einer fremden Sprache mit ganz vielen "ch"s und "rr"s auffallen.
Ohne zu zögern gehen Jugendliche mit Mama Hand und Hand zum Einkaufen, und die ganze Sippe weiß immer, ob man einen Freund oder eine Freundin hat. Jeden Samstag und Sonntag und manchmal auch einfach so kommen irgendwelche Familienmitglieder zu Besuch, ohne Ankündigung, einfach so. Wie beim Sohn in den USA weiß natürlich auch der Rest der Familie immer Bescheid, wo sich wer gerade befindet. Was einem Familienmitglied gehört, das gehört der ganzen Familie und wird dementsprechend auch so genutzt - seien es Kekse, Gummibärchen oder ein Laptop.

Samstag, 5. Juni 2010

El alfabeto colombiano: E

Das kolumbianische Alphabet: E

E wie Einladung

Mittlerweile spreche ich ja doch ein ziemlich gutes Spanisch und so kommt es immer wieder vor, dass mich irgendwelche Leute zu sich nach Hause einladen, um mich ein bisschen besser kennenzulernen. Meine Gasteltern machen sich zwar immer Sorgen, dass ich bei einer dieser Einladungen in den Dschungel verschleppt werden könnte, aber ich vertraue da auf meinen gesunden Menschenverstand und bisher bin ich auch immer heil und gesund nach Hause gekommen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass solche Besuche bei anderen Leuten wie geplant ablaufen - im Gegenteil! Die Einladung lautet meist auf ein Mittagessen, und plötzlich sitzt die ganze Großfamilie am Tisch und freut sich, einen "mono" (Weißen) zu sehen und sogar mit ihm zu sprechen. Noch besser wird es, wenn pl¨tzlich die Ansage kommt, dass wir jetzt zur Oma fahren würden.
Da gibt's dann natürlich auch noch mal was zu essen und zu trinken - die Omas machen meistens unglaublich leckeren Saft - und anschließend geht's dann noch "kurz" zu einer befreundeten Familie, wo man sich dann auch noch mal ein paar Stunden aufhält.
Ich finde das Ganze recht amüsant und nicht störend, aber man merkt doch, wie exotisch ich hier bin und wie stolz die Leute sind, dass ich zu Ihnen zum Essen komme, und dass sie mich ihren Freunden und Verwandten vorstellen können.
Ich fühle mich hier in Kolumbien als Ausländer, weil mich jeder so sieht, ohne auch nur ein Wort mit mir gesprochen zu haben. Doch Ausländer ist hier nicht negativ konnotiert wie in Deutschland, im Gegenteil - die Leute freuen sich, einmal jemanden kennen zu lernen, der von einem anderen Teil dieser Welt kommt.

Freitag, 4. Juni 2010

El alfabeto colombiano: D

Das kolumbianische Alphabet: D

D wie Deutschland

Das Bild von Deutschland ist hier außerordentlich positiv. Erfolgreiche Sportler, seriöse Politiker, schnelle Autos, die man auch auf vernünftigen Straßen benutzen kann, und Klebeband, das seinem Namen auch gerecht wird, sind nur einige der Beispiele, die ich immer wieder höre.
Was Beckenbauer jetzt eigentlich mache? Wann Schumacher wieder gewinnen würde? Wie lange Ballack verletzt sei? Ob Porsche und Audi beide aus Deutschland kämen? Ob man wirklich auf der Autobahn so schnell fahren könne, wie man wolle?
Leider geht die Verehrung oft noch einen Schritt weiter, und schwupps sind wir bei der "deutschen Rasse" angekommen. So stark, kräftig, zielstrebig, hart arbeitend und ehrlich - und überhaupt, tolle Typen, diese Deutschen.
Auch das würde mich jetzt nicht weiter stören - wer wehrt sich schon gegen diese Adjektive - wenn die Kolumbianer jetzt nicht den letzten Schritt machen würden, zum "Adolfo Hitler". Der sei ja auch so ein "berraco" gewesen - wörtlich genommen ein Eber, aber das Wort drückt eher eine ganze Menge Bewunderung aus.
Dazu ganz aktuell neulich im Fitnessstudio, eine etwa 50-jährige Frau zu mir:

"Ich liebe Adolf Hitler."
Warum?

"Wegen der Ordnung ..."
Gut, kann ich verstehen.

"... und dem Körper ..."
Das nun eher weniger.

"... und weil er Vegetarier war. Hitler war gut zu Tieren."
Ach so. Es relativiert natürlich den Mord an 6 Millionen Menschen, wenn er und sein Gesocks dafür 6 Kühe verschont haben.

Donnerstag, 3. Juni 2010

El alfabeto colombiano: C

Das kolumbianische Alphabet: C

C wie Chaos

Das hätte man auch unter "A wie Alltag" einordnen können. Besonders meine Arbeitsstelle, die Schule, hat Tag für Tag eine Überraschung parat. Wie bei einem Adventskalender öffnet der "portero" (Türsteher) mir die Tür, um festzustellen:

  • Meine Schüler kommen zu spät.
  • Meine Schüler kommen gar nicht.
  • Meine Schüler schreiben eine Arbeit und können deshalb nicht.
  • Meine Schüler machen einen Ausflug.
  • Die Tür wird gar nicht geöffnet, weil heute Wahlen / Feiertag / Lehrerkonferenz / Reggaetón-Konzert / WM-Spiel / sonstige Passion ist bzw. sind.

In einigen Fällen kommt es dann auch einmal vor, dass die Schüler alle kommen. Pünktlich. Mit Hausaufgaben. Und Vokabeln gelernt. Hey, man darf ja mal träumen... Dazu weise ich auf die (inoffizielle) kolumbianische Nationalhymne hin.

Probier's mal mit Gemütlichkeit


"Probiers mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit, jagst du den Alltag und die Sorgen weg.
Und wenn du stets gemütlich bist und etwas appetitlich ist, dann nimm es dir - egal von welchem Fleck."

 Das Lebensmotto der "ladrones" (Diebe).

"Was soll ich woanders, wo es mir nicht gefällt? Ich gehe nicht fort hier, auch nicht für Geld!"

Kommt drauf an. Wenn die Familie nicht mitkommt, dann wahrscheinlich nicht. Aber insgeheim ist es der Traum eines jeden Kolumbianers, in den USA zu leben.

"Die Bienen summen in der Luft, erfüllen sie mit Honigduft - und schaust du unter den Stein, erblickst du Ameisen, die hier gut gedeih'n."

Da muss man noch nicht mal unter den Stein schauen.

" [...] Denn mit Gemütlichkeit kommt auch das Glück zu dir."

Wozu es dann also suchen?

"Es kommt zu dir."


PS. Gerade heute wieder Passion vom Feinsten - die Stundenpläne werden geändert, sodass der Unterricht vom Montag nun auf den Dienstag fällt und der vom Freitag auf den Donnerstag. Da ich jedoch Freitags nicht arbeite, habe ich nun die nächsten zwei Wochen nur zwei Arbeitstage und fünf Tage Wochenende. Was soll ich noch sagen?

Mittwoch, 2. Juni 2010

El alfabeto colombiano: B

Das kolumbianische Alphabet: B

B wie Bus

Da viele Leute kein Auto haben, fahren unglaublich viele Busse auf den Straßen von Cali. Unzahlige kleine Busunternehmen nutzen fahrbare Untersätze mit vier Rädern und nennen das dann Bus. Die Qualität schwankt zwischen "alte Rostlaube" und "neue Rostlaube", und beim Abgas gibt es die Versionen "viel Ruß" und "ganz viel Ruß". Sitzplätze gibt es in den Hauptverkehrszeiten viel zu wenig, sodass man oft im 1,70 Meter hohen Gang stehen muss.
Jedes Unternehmen hat seine eigenen Linien und so kann man eigentlich von jedem Punkt der Stadt überall hinkommen, ohne umzusteigen. Da müsste man dann auch noch einmal bezahlen. Vorne am Bus ist ein Schild mit der Route angebracht, und die Ziele werden meistens als freundlicher Hinweis für blinde Fahrgäste vom Beifahrer auch noch lauthals aus dem Fenster gerufen.

"Setenta, López, Calima, Sameco, Setenta! Calima, Sameco!"

Da die Busse die Stadt also verstopfen und verdrecken, hat sich Cali ein tolles Bussystem, MIO genannt, mit Extraspuren und -haltestellen ausgedacht. Diese Busse sind zwar sauberer und neuer, doch dafür dauert es länger und es gibt nun immer zu wenig Sitzplätze, denn gleichzeitig wurden viele Stadtbusse aus dem Verkehr gezogen. Die Busfahrer vom MIO, die allesamt einmal Stadtbusfahrer waren, halten zwar nun an den roten Ampeln an, sind aber sonst wie ihre ehemaligen Kollegen. Wenn die elektronische Zielanzeige nicht geht, wird da erstmal sanft gegengekloppt. Nichts passiert?

Wenn Gewalt nicht hilft, hilft nur mehr Gewalt!

Also wird ohne Sinn und Verstand auf die Anzeige eingeschlagen, bis entweder die Anzeige oder die Hand aufgibt. Bisher hat die Anzeige noch jeden Kampf gewonnen...
Neben Stadtbussen gibt es auch noch Reisebusse, bei denen die Qualität doch ein wenig höher liegt, und man mit etwas Glück und Verstand tatsächlich einen Sitz mit zurückstellbarer Lehne, genügend Beinfreiheit und Klimatisation bekommen kann. Diese drei Eigenschaften sind besonders bei langen Überlandfahrten nicht zu verachten - und lang ist wirklich lang, es dauert nun mal 10 Stunden, um von Cali nach Bogotá oder Medellín zu kommen.

Dienstag, 1. Juni 2010

El alfabeto colombiano: A

Das kolumbianische Alphabet: A

A wie Arbeit

Der Computer ist mal wieder hin, und damit auch das für diese Woche hergestellte Video über meine Arbeit unerreichbar auf der Festplatte. Naja, kommt dann die Tage hier hoch.
Ich sitze also gerade an einem Laptop meiner Gastfamilie und habe festgestellt, dass ich noch genau 26 Tage habe, bevor meine Eltern nach Kolumbien kommen. 26... 26... da gibt's doch noch was? Richtig, das Alphabet! Und da habe ich mir gedacht, ich könnte ja zusätzlich zum genannten Video und zu den drei weiteren geplanten Texten hier jeden Tag einen kleinen Text reinstellen, der sich auf einen Buchstaben bezieht. Mal sehen, ob ich das hinkriege - hier ist auf jeden Fall der erste Text zum Thema "Arbeit".

Arbeit wird in Kolumbien groß geschrieben. Jeder arbeitet irgendwie als irgendwas, oder am besten gleich als alles mögliche. Das ist grundsätzlich dem Umstand zu verdanken, dass es in Kolumbien keine Sozialhilfe gibt und man sich so aussuchen kann, ob man als Penner auf der Straße leben will, oder dann vielleicht doch mal 'ne Runde mit anpackt. Und so hat ein jeder ohne Festanstellung sein eigenes kleines "negocio" (Geschäft), sei es eine Bar, ein Schuhimport, ein Bauchladen voll mit Kaugummis und Zigaretten, eine kleine Schachtel halb voll mit Kaugummis, ein paar Armbänder, eine Packung Kugelschreiber, ein rotes Tuch zum Einweisen der parkenden Autos - ich könnte ewig so weitermachen.
Mit der Arbeit ist es dann aber auch ganz schnell wieder vorbei, wenn genug Geld für heute oder gar diese Woche verdient worden ist. Da wird dann erst einmal Siesta gemacht, einfach nur rumgesessen und gechillt, oder Bier getrunken, bis man wieder Geld braucht. Dazu sinngemäß ein Dialog zwischen Eric und mir:

Eric: Ich versteh' das nicht, wieso die Kolumbianer immer nur so viel arbeiten wie nötig.
Lars: Kennst du die Geschichte vom glücklichen Fischer?
Eric: Nee, erzähl.
Lars: Es war einmal ein erfolgreicher Geschäftsmann, der einen Fischer am Ufer liegen sah. Er fragte ihn, wieso er nicht arbeitete, und der Fischer fragte zurück, was ihm das nützen würde. Der Geschäftsmann antwortete, er könne viele Fische fangen und Geld verdienen, woraufhin der Fischer noch einmal fragte, was ihm das nützen würde. Der Geschäftsmann erwiderte, mit viel Geld könne der Fischer sich ausruhen und ein glückliches Leben führen. Daraufhin antwortete der Fischer: "Das kann ich doch jetzt auch." Ich glaube, das ist die Mentalität der meisten Kolumbianer.
Eric: Ja toll, und dann hat der Fischer eines Tages Krebs, oder braucht Zahnersatz, oder ein Trawler fängt ihm alles weg. Was macht der glückliche Fischer denn dann?

Ihr seht, diese Einträge sind nicht immer ganz ernst gemeint und bringen euch doch die kolumbianische Natur ein bisschen näher. Da ich hier schon einmal mit Ironie tief ins Fettnápfchen getreten bin, weise ich darauf hin, dass niemand meinen Blog lesen muss.

Bis morgen, euer Lars