Sonntag, 18. Juli 2010

¿Valió la pena? Parte Tres

War es es wert? Teil Drei

Teil 3 - War es es für die Kolumbianer wert?

Kurzfristig - JA / Langfristig - NEIN

Kommen wir nun zur eigentlichen Zielgruppe: den Kolumbianern. Schließlich wird weltwärts vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz BMZ, finanziert. Und wo Entwicklungshilfe draufsteht, sollte auch welche drin sein.
Auf den ersten Blick scheint mein Projekt sehr sinnvoll zu sein. Andere weltwärts-Teilnehmer arbeiten im Zoo oder irgendwo beim Roten Kreuz - sicherlich tolle Arbeit, die aber auch ein Kolumbianer machen könnte. Ich behaupte hingegen einfach mal, dass nur wenige Einheimische meine Arbeit machen könnten, da Englischkenntnisse auch unter Uni-Absolventen eher rar gesät sind.
Außerdem haben meine Schüler tatsächlich profitiert - durch kleinere Klassen, persönliche Betreuung und Unterricht, der nicht nur auf den ICFES zugeschnitten ist. Der ICFES ist ein Test, den man in Kolumbien machen muss, um an der Universität zu studieren, und die Punktzahl entscheidet wie der NC in Deutschland maßgeblich über die möglichen Studienfächer.
Das Ganze ist allerdings ein Multiple-Choice-Test mit den Auswahlmöglichkeiten A, B, C und D, und so lernen viele Schüler nur, das richtige Wort auszuwählen. Das ist in Fremdsprachen jedoch meiner Meinung nach fatal, denn wenn ich mit jemandem rede, bietet diese Person mir ja auch nicht vier Möglichkeiten an. Also muss ich lernen, eigene Sätze zu konstruieren, und das war das Ziel meines Unterrichts.
Meine Schüler konnten also von mir profitieren. Wer noch? Meine Arbeitskollegen vielleicht, da ich ihnen meine Arbeitsblätter kopiert habe. Aber sonst?
Die Arbeitsmoral bleibt doch die gleiche! Wenn die Stunde eigentlich beginnen soll, holen sich die Lehrer erstmal einen Kaffee, und um 12 Uhr sind kaum noch Lehrer in ihren Klassenräumen anzutreffen, obwohl der Unterricht morgens bis 12.30 Uhr geht.
Alle paar Tage ist keine Schule wegen Wasweißich - da kann ich doch überhaupt nichts gegen machen, sondern muss das einfach akzeptieren. Doch wo ist denn dann die Entwicklung? Bingo - nicht existent.
Und genau deshalb halte ich nichts mehr von Entwicklungshilfe. Wozu zahlen wir denn überhaupt so viel Geld an arme Länder? Die Industriestaaten sind wie Eltern, die ihr Kind - die Entwicklungsländer als ehemalige Kolonien - schlecht erzogen haben. Leider ist das Kind nun schon längst volljährig, und wir fühlen uns schuldig, weshalb wir Geld- oder Sachleistungen erbringen.
Gegen Sachleistungen habe ich nichts. Infrastruktur- oder Umweltprojekte sind durchaus unterstützenswert, da dort der Wille da ist, es aber an Geld fehlt. Aber der Rest ist meiner Meinung nach nicht nur sinnlos, sondern auch anmaßend.
Nehmen wir mal an, ich wollte dieses Land wirklich entwickeln. Pünktlichkeit, strikte Trennung von Arbeit und Privatleben oder vernünftiges Verhalten im Straßenverkehr wären nur einige Punkte, wo ich Verbesserungsbedarf sehe.
Doch wen interessiert es, was ich sehe? Wichtig ist doch, was die Kolumbianer sehen - schließlich ist es ihr Land und nicht meins! Und die Kolumbianer erscheinen mir mehr oder weniger zufrieden mit ihrem Land. Das ausgeprägte Familienleben hier in Kolumbien beispielsweise behindert ganz klar die wirtschaftliche Entwicklung.
Wenn die Oma wichtiger ist als die Arbeit, und die Leute damit glücklich sind - wie kann ich mir denn dann anmaßen, dieses Land "entwickeln" zu wollen? Die Arbeit über die Oma zu stellen - woher nehme ich mir dieses Recht? Diese Initiative muss schon vom kolumbianischen Volk selber kommen.
Entwicklungshilfe - abgesehen von den Sachleistungen - ist für mich der Wille, anderen Völkern unsere Kultur aufzuzwingen. Aber dazu habe ich kein Recht.


Damit wäre der Blog eigentlich zu Ende. Allerdings fehlen noch zwei Reiseberichte. Nächste Woche folgt der zweite Teil meiner Karibikreise im Januar, und dann kommt noch ein Bericht über einen Ausflug nach Popayán zu Ostern.

Bis dahin, euer Lars

Sonntag, 11. Juli 2010

¿Valió la pena? Parte Dos

War es es wert? Teil Zwei

Teil 2 - War es es für die deutschen Steuerzahler wert?

Kurzfristig - NEIN / Langfristig - JA

Der deutsche Steuerzahler hat ja meine Abenteuer hier in Kolumbien mit 5.400 Euro finanziert. Weitere 1.800 Euro kamen von meinen Spendern, denen ich noch einmal von ganzem Herzen danken möchte. Aber lohnt sich das "weltwärts"-Programm für Deutschland? Ist es das viele Geld wert?
Wir schauen zunächst einmal auf die direkten Folgen für Deutschland. Ich habe zugegebenermaßen nicht besonders viel gearbeitet und bin stattdessen gereist. Gezwungenermaßen, möchte ich fast sagen, denn wenn es keine Arbeit gibt, dann ist Reisen doch deutlich besser als zu Hause herumzusitzen, meiner Gastfamilie auf die Nerven zu gehen und nichts zu tun.
Kurzfristig hat Deutschland mir also mit 5.400 Euro ein Jahr Urlaub in den Tropen beschert, um es mal ganz offen zu sagen. Es gab auch - besonders im zweiten Halbjahr - viele Tage, an denen ich zehn Stunden in der Schule war und abends todmüde ins Bett gefallen bin, aber im Endeffekt werde ich wohl nie wieder so viel Freizeit haben, bis ich in Rente gehe. Es war meinetwegen ein Erlebnisurlaub, ein Bildungsurlaub, ein Arbeitsurlaub - aber im Großen und Ganzen war es Urlaub.
Kurzfristig ist für den deutschen Steuerzahler also nicht besonders viel Profit aus diesem Jahr zu schlagen - langfristig hingegen umso mehr! Ich spreche mittlerweile mehr oder weniger perfekt Spanisch, und habe  Unmengen gelernt.
Wie viele deutsche 19-Jährige können wohl eine kolumbianische Affenbande - äh, ich meine natürlich Schulklasse - unter Kontrolle halten? Wie viele können von sich sagen, ein eigenes Lehrkonzept entwickelt zu haben und dies gegen alle Widerstände - vornehmlich Faulheit, etwas zu ändern - durchgezogen zu haben?
Wie viele Jugendliche in Deutschland kennen absolute Armut nicht nur aus dem Fernseher - und wie viele haben dann in einem solchen Viertel abends gesessen und mit Jimmy und Orlando Bier getrunken? Wie viele Jugendliche wissen den Wert des Lebens wirklich einzuschätzen?
Diese Erfahrungen kann mir niemand mehr nehmen, und ich will versuchen, sie dazu einzusetzen, die Welt positiv zu verändern. Außerdem werden solche Erfahrungen auch von Firmen geschätzt, und das Jahr wird mir mehr als die "verlorene Zeit" nützen.
Wer zahlt denn morgen die Renten der Arbeiter von heute? Wer die Schulen? Wer das weltwärts-Programm? Ich fühle mich innerlich dem deutschen Staat verpflichtet, die eingesetzten Steuergelder in vielfacher Höhe zurückzuzahlen.

Lars

Sonntag, 4. Juli 2010

¿Valió la pena? Parte Uno

War es es wert? Teil Eins

In Anlehnung an eine tolle Salsa des Puertoricaners Marc Anthony soll das hier ein Resümee werden, ob sich dieses Jahr gelohnt hat. Und damit sich das Ganze nicht so trocken anhört, gibt´s "Valió la Pena" hier als Video.


Da stellt sich natürlich zuerst einmal die Frage, für wen ich überhaupt den Nutzen analysiere. Drei Zielgruppen wurden von meinem Jahr in Kolumbien beeinflusst:

  • Ich.
  • Die deutschen Steuerzahler.
  • Die Kolumbianer.

Teil 1 - War es es für mich wert?

Kurzfristig - JA / Langfristig - JA

Fangen wir mal mit mir an. Noch mal eine ganze Ecke härter als die USA war Kolumbien genau DIE Herausforderung, die ich mir gewünscht hatte! Ich hätte es nie gedacht, aber dieses Jahr war das bisher beste in meinem Leben. Wie habe ich mich verändert?
Ich bin ruhiger geworden, mich regt nichts mehr auf. Irgendetwas passiert immer und verändert alle Pläne - zum Guten wie auch zum Schlechten, wobei das zum größten Teil von meiner Einstellung abhängt. Also äußerlich und innerlich lächeln, und es wird schon. Es hat alles seine Vorteile.
Außerdem stellt man doch in einem solchen Jahr fest, wer wirkliche Freunde sind. Seien es Gespräche über Skype, dann und wann mal eine Mitteilung auf Facebook, ein Kommentar in meinem Blog, überschwängliche Freude beim Hören meiner Stimme am Telefon, oder gar ein Besuch in Kolumbien - solche Dinge machen einem das Leben schöner, und so freue ich mich dann auch auf die Rückkehr.
Ich habe festgestellt, wie sehr ich doch in Deutschland und seiner Kultur verankert bin. Nicht nur das Essen - dass es im Ausland kein vernünftiges Brot gibt, habe ich ja schon in den USA festgestellt - sondern auch das Familienbild, die Vorstellung von Arbeit und die Lebensweise sind ja schon recht deutlich anders. Beides hat seine Vor- und Nachteile, aber wenn ich das Gesamtpaket anschaue, gefallen mir die deutschen Ideen besser.
Das liegt nicht daran, dass sie besser sind, sondern daran, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin. Wären mein Gastbruder und ich nach der Geburt ausgetauscht worden, so würde er diesbezüglich wohl wie ich denken, und ich wie er.
Ich nehme eine Menge an Erfahrungen mit. Eine kleine Auflistung:

Tauchen. Allein reisen. Unterrichten. Salsa tanzen. Sich nicht ärgern. Flüge buchen. Gleitschirmfliegen. In einer Hängematte schlafen. Ohne Geld dastehen. Nudeln mit Garnelen - oder besser gesagt: Garnelen mit Nudeln. Absolute Armut. Gefahr für Leib und Leben. Der Segen des Internets. Spaß. Trauer. Liebe. Enttäuschungen. Einladungen. (Un)Pünktlichkeit. Privatsphäre. Affe auf dem Kopf. Im Amazonas baden. Einsame Karibikstrände. Surfen. Früh aufstehen.
Nach all diesen Erfahrungen bin ich müde. Nicht lebensmüde, aber kolumbienmüde. Ich habe das Leben hier bis zum Anschlag genossen, und jetzt ist es auch genug.
Nächste Woche folgt Teil zwei mit der Antwort auf die Frage, ob es sich für den deutschen Steuerzahler gelohnt hat.

Bis dahin, Lars