Dienstag, 24. August 2010

La semana santa

Die Osterwoche

Die ist ja nun auch schon wieder ... äh ... viereinhalb Monate her! Naja, Nachdenken und Erinnern ist ja bekanntlich gut für's Gehirn.


So, damit wäre ja auch schon alles erklärt. Sind wir fertig, oder? Na, ich werde versuchen, auf den letzten Metern nicht faul zu werden und die Ereignisse noch ein bisschen genauer zu erklären und mit Bildern zu untermalen.
Julian aus Girardot kam Ende März zu mir, da sein Rübenacker auch einmal ein paar Tage ohne ihn auskommen konnte und er unbedingt nach Popayán wollte, wo doch „diese berühmten Osterfeiern“ stattfänden. Tatsächlich? Na gut, Cali liegt ja auf dem Weg, dann soll er mal kommen und dann schauen wir uns das mal an. Vorher waren wir noch zwei Tage in San Cipriano - das kennt ja der eine oder andere noch aus früheren Erzählungen - bevor wir uns dann über die Panamericana auf den Weg ins zwei Stunden entfernte, knapp 2000 Meter hoch gelegene Popayán machten.
Auf der Straße hatte es eine Woche zuvor einen bewaffneten Kampf zwischen der Guerilla und dem Militär gegeben, sodass meine Gasteltern ein wenig besorgt waren. Auf der anderen Seite waren sie aber auch ganz froh, Julian und mich aus dem Haus zu haben, und wir kamen auch heil und sicher in Popayán an.


Auf dem Weg sahen wir einen frisch verstorbenen Motorradfahrer, der wahrscheinlich keinen Helm hatte oder diesen zweckentfremdet nutzte.

Julian: „Guck mal, da liegt Gehirn.“
Das mag jetzt vielleicht gefühlskalt erscheinen, aber die Reiz- und Mitleidsschwelle sinkt mit solchen Erfahrungen kontinuierlich ab. Der Straßenverkehr in Kolumbien ist ja an sich schon gefährlich, aber Motorrad zu fahren ist mörderisch – sowohl der Fahrweise der Motorradfahrer als auch den anderen Verkehrsteilnehmern geschuldet. Ich habe einmal eine Statistik in der Zeitung gesehen, dass zwei Prozent aller Motorradfahrer jedes Jahr in Cali einen Unfall haben.
Umso seltsamer mutet es an, dass niemand Schutzkleidung trägt, aber bei 30 Grad und allgemeiner Passion verzichten die Kolumbianer darauf. Somit werden auch Helme nicht oder nur auf den Hinterkopf gesetzt, sodass der Kinnschutz auf der Stirn ist und das Gesicht frei bleibt. Ist ja auch viel zu heiß sonst!


Zurück zum Thema: Hier sind auch die erwähnten Besucher aus ganz Kolumbien zu sehen, und zwar Katja aus Medellín und Lisa aus Bogotá, die hinter dem Schopf von Flo aus Popayán hervorlugt. Im folgenden Bild seht ihr auch noch Julian neben mir und Katja, die gerade irgendwie komisch guckt.


Kurz nach unserer Ankunft wurde uns eröffnet, wir könnten als „pichoñeros“ die im Video genannten „pasos“ tragen. Diese riesigen Statuen aus Massivholz werden zu Ostern abends in den Prozessionen durch die Stadt getragen, und irgendwie müssen sie aus den Kirchen zum Startpunkt der Route kommen. Diese verantwortungsvolle Aufgabe sollte also uns zufallen.


Also besichtigten wir die nächste Kirche und schauten uns schon einmal an, was auf uns zukommen sollte.


Anschließend guckten wir uns das Ganze in klein an, eine Prozession für Kinder.


Das Tragen der „pasos“ ist eine große Ehre, da die Statuen alteingesessenen Familien gehören und die Tradition schon seit mehr als hundert Jahren existiert.


Somit werden auch die Kinder schon mit in diese Tradition eingebunden - natürlich mit „pasos“, die in Größe und Gewicht angepasst sind.


Hoch über der Stadt thront der Gründer Sebastián de Belálcazar, der gleiche wie in Cali. Man hat in Richtung des Pazifiks einen tollen Blick über die Stadt, die tatsächlich sehr weiß wirkt. Später wurde mir dann erzählt, dass tatsächlich viele Häuser vor der Osterwoche immer aufs Neue weiß angemalt werden. Bei Sonnenuntergang war dann unsere große Zeit gekommen.


Wenn man die Wichtigkeit dieses Ereignisses für die Stadt bedenkt, bin ich immer noch erstaunt über das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde, als uns das Tragen der „pasos“ zur Prozession angeboten wurde.
Auf der einen Seite kannte die Familie halt Flo und Olli - ebenfalls mit weltwärts in Popayán, von ihm habe ich leider kein Foto – und auf der anderen Seite ist groß, weiß, blond und deutsch zumindest in Kolumbien nach meinen Erfahrungen so ziemlich das Nonplusultra, wenn man möchte, dass die Leute einem vertrauen.


Anschließend gingen wir noch feiern, doch ich hatte mich bei einem Wolkenbruch in San Cipriano zwei Tage zuvor erkältet und verließ die Feier somit früher, um bei den Gasteltern von Olli zu übernachten, der zu diesem Zeitpunkt noch in der Dominikanischen Republik weilte.
Hier ein großes Lob an die Gasteltern, die mich bei sich aufgenommen haben, ohne dass Olli da war und ohne mich zu kennen. Die Gastfreundschaft in Kolumbien beeindruckt mich immer wieder.


Am nächsten Tag lernten wir die Stadt kennen, besuchten den Hügel von Sebastián de Belálcazar und das anbei liegende Museumsdorf „pueblito patojo“ (frei übersetzt „Popayánerdörfchen“), bevor wir noch einige Märkte mit „artesanía“ (Kunsthandwerk - oder „Indianermock“, um es mit Eric zu sagen) besuchten.


Soll ja auch alles sauber sein! Direkt vor der Prozession, die wir uns am Abend anschauten, wurden noch die Straßen gekehrt.


Auch das Polizeiorchester hatte sich auf die Osterwoche vorbereitet und genoss es, dass endlich mal ein ordentliches Publikum anwesend war. Popayán und Ostern ist so wie Wacken und das Musikfestival oder Bayreuth und die Festspiele - viele Leute für eine Woche, der Rest des Jahres nix los.


Die mehr als ein Dutzend wunderschönen, mit Gold verzierten „pasos“ wurden an uns und am Rest der Menge vorbei getragen.


Wie im Video erwähnt, können sie mehr als eine halbe Tonne wiegen, und so benötigen die Träger natürlich immer wieder Pausen. Besonders beim Wiederanheben sind die Statuen unglaublich schwer und man benötigt eine Menge Kraft und – im wahrsten Sinne des Wortes – Rückgrat, wie ihr im folgenden Video seht.


Viele Leute liefen mit Kerzen mit, sodass auch wir uns dazu entschlossen, am folgenden Abend die tragenden Freunde der beiden „Einheimischen“ Flo und Olli am Straßenrand zu begleiten.


Am nächsten Tag ging es dann jedoch erst einmal mit Ollis Gastfamilie in ein Museum, in dem irgendein glorreicher Eroberer oder Befreier gepriesen wurde, sowie auf einen weiteren „artesanía“-Markt, um uns dort allerlei unnützes Zeug anzuschauen.


Für Deutsche ist dieser Stand wahrscheinlich recht ungewohnt anzusehen, denn es gibt Koka-Produkte aller Art: Bonbons, Tee, Kekse – schmeckt aber alles nur nach Unkraut und ist nicht zu empfehlen. Ganz davon abgesehen ist der Import nach Deutschland eh verboten.
Anschließend fuhren wir nach Coconuco, den heißen Quellen in der Nähe von Popayán. Nach einer einstündigen Anreise, in der das Kühlwasser des Autos überhitzte, erschlug uns erst einmal der unglaubliche Gestank des schwefelhaltigen Wassers. Nach einer Weile gewöhnte man sich jedoch daran und wir genossen das warme Wasser in der Kühle des Abends.


Später gingen wir dann zu einer weiteren Prozession, um, wie bereits erwähnt, aktiv mit Kerzen mitzulaufen. Unglaublich viele Blicke blieben besonders an Julian und mir hängen, da wir nun wirklich nicht kolumbianisch aussehen und somit ständig gefragt wurden, wo wir herkämen und ob es uns gefiele.


Nach vier Tagen und drei Prozessionen war es dann aber auch einmal gut und so machte ich mich am Sonntag auf den Heimweg. Die Osterfeiern in Popayán sind eine tolle Erfahrung, wenn man eh schon einmal da ist. Ganz aus Europa nur dafür anreisen würde ich zwar nicht, aber das muss jeder selber wissen.
Kommentare sind wie immer erwünscht. Das war der letzte Eintrag in diesem Blog, denn ich bin nun schon seit einigen Tagen wieder in Deutschland und das Abenteuer ist vorbei. Ich hoffe, es hat euch gefallen, und vielleicht gibt's ja mal wieder einen Blog, wenn ich wieder für längere Zeit im Ausland bin.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit, euer Lars

Sonntag, 15. August 2010

... ¡con la misma arena!

... mit dem gleichen Sand!

Endlich erscheint der letzte Teil der Januar-Odyssee - die ersten beiden Teile der Reise an der Küste findet ihr hier und hier.


2. Januar 2010: Cali - Medellín (Reisebus)
6. Januar 2010: Medellín - Bogotá - Cartagena (Flugzeug)
9. Januar 2010: Cartagena - Santa Marta (Reisebus)
14. Januar 2010: Santa Marta - Bogotá - Cali (Flugzeug)

Wir schreiben ...

Tag 8 - Samstag, 9. Januar 2010

... und befinden uns irgendwo alleine auf dem gelben Pfeil, nachdem unser Bus gestrandet war und alle anderen Fahrgäste bereits irgendwelche vorbeifahrenden Busse genommen haben. Bewaffnet mit Schlagstock und Holzknüppel dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich ein Bus vorbeikam, der uns und unser Gepäck mitnehmen wollte und konnte. Natürlich war er schon komplett überfüllt und so standen wir weitere zwei Stunden in einem 1,60 Meter hohen Bus, bis wir endlich Barranquilla erreichten. Da ist zwar Shakira geboren - aber kein Wunder, dass sie nicht da geblieben ist, so potthässlich ist die Stadt!
Also stiegen wir irgendwo in einem grauen Vorort aus und wurden dort von irgendwelchen Typen zum Bus gelotst. So etwas ist natürlich nicht kostenlos und nach ein paar Cents für den Typen zahlte ich beim Einsteigen den Fahrpreis in Höhe von 20.000 Pesos (8 Euro) für uns zwei.
Leider war das irgendwie nicht der wirkliche Schaffner, denn kurz nach Abfahrt wurden wir erneut zum Zahlen aufgefordert. Mein Einwand, wir hätten schon gezahlt, wurde brüsk abgelehnt und so zahlten wir erneut mit einem Zähneknirschen, das den Zahnschmelz wohl deutlich beschädigt haben dürfte. Das sind so die Momente, wo man einfach nur nach Hause nach Deutschland will. Aber das gehört halt auch dazu.
Ich zitiere mal leicht abgeändert aus Julians Blog, der genau das anspricht:

Ich bin erschöpft. Erschöpft von der ständigen Wachsamkeit. Will nicht mehr in jedem das Böse sehen, doch leider wird man hier dazu gezwungen, denn es geht um das eigene Wohl. Dieses Land hat mich Misstrauen gelehrt. Es zwingt einen dazu, die Menschen zu kategorisieren, die dir begegnen. Auftreten, Kleidung, Beschäftigung - Äußerlichkeiten eben.
Du entscheidest oberflächlich, ob gut oder gefährlich, und so stehst du ihnen dann gegenüber, behandelst sie dementsprechend, oder gehst gar nicht auf sie ein. Ich hätte es vorher nie wahr haben wollen, und kann es immer noch nicht glauben.
Es ist eine Rechenaufgabe. Jemand hat schmutzige, alte oder kaputte Kleidung an, geht zu Fuß oder fährt Fahrrad. Jemand mit mehr Geld zieht sich nur in Ausnahmefällen so an und fährt sonst auch mit dem Auto oder mindestens Motorrad. Unter 100 reichen Menschen und 100 Armen, wo findet man wohl einen größeren Anteil derjenigen, die bereit wären, die es nötig haben, dich zu beklauen oder auszurauben? Es ist sehr traurig, doch es passiert ganz schnell, dieses Schubladendenken in Bezug auf Äußerlichkeiten. Zum Selbstschutz.
Alle kennen die Geschichten. Einfacher Taschendiebstahl, Überfall oder gar die „Millionärstour“ in einem gefälschten Taxi, in dem sich bewaffnete Komplizen zum Taxi-Kollegen gesellen, dich bedrohen und du so lange als „normales“ Taxi durch die Stadt fährst, bis du komplett ausgenommen bist, kurze Stopps an Geldautomaten beim Mitführen einer Geldkarte, ausgesetzt irgendwo mit absolut nichts in den Taschen. All dies ist in unserer Gruppe von etwa 20 Freiwilligen schon vorgekommen.
Und um vorzubeugen heißt es eben: Gefahr einschätzen, Leute einschätzen, bei näherer Begegnung auf die Hände schauen, Dunkelheit und Einsamkeit meiden, „teures“ Aussehen meiden, keine großen Scheine (Anmerkung: ein 20.000 Pesos-Schein, 8 Euro, ist schon groß), keine Taxis von der Straße, Taxi-Registrierkarte und Türen checken, in Bussen nach vorn setzen, nicht allein im Bus sein, auf der Straße die nächste Türklingel im Blick haben, wie sieht das Viertel/die Straße aus in der ich laufe, darauf gefasst sein angegriffen zu werden, ggf. wegzurennen. All dies und noch viel mehr geht einem ständig durch den Kopf und macht einem Sorgen beispielsweise beim bloßen Heimweg von einem Freund.
Genauso beim Einkauf (wenn es keine festen Preise gibt): Man muss als „Gringo“ ja schon mal annehmen, dass der erste Preis der genannt wird den „normalen“ Händleraufschlag PLUS „Touristen“-Aufschlag beinhaltet, also heißt es Handeln.
Ich traue keinem ersten Preis, im Zweifelsfall kaufe ich nicht und lasse dabei auch manchmal Verkäufer zurück die WIRKLICH den „normalen“ Preis und nicht mehr verlangt haben und verärgert sind über die „reichen Touristen, die denken, sie müssten die für sie schon billigen Preise noch mehr drücken“ ... Jedes Mal nach einem erfolgreichen Kauf frage ich mich jedoch: Was hätte ein Kolumbianer bezahlt?
Ähnlich ist es beim Busfahren. Dort sind die Preise glücklicherweise meistens festgelegt. Worum hier gehandelt werden muss sind allerdings die Leistungen. „Drei Stunden Fahrtzeit, keine Pause. Los geht es quasi sofort mit dem Superdirektbus!“ Am Ende hält er doch an jedem Ort und nimmt an der Landstraße Fahrgäste auf. Nach einer halben Stunde geht es los, nach 5 Stunden ist man da ... Man wird angelogen für Geld.
Nach weiteren drei Stunden, diesmal mit Sitzplatz, kamen wir endlich in Santa Marta an. Es war schon dunkel und unser Ziel Taganga lag irgendwo hoch in den Bergen, sodass wir unseren Freund Wilson anriefen, der uns ein Pfund Garnelen und ein sicheres Taxi organisierte. Nach einer achtstündigen Odyssee kamen wir endlich an - für eine Reise, die normal vier Stunden dauert. Aber was ist schon normal bezüglich Zeit in diesem Land?

Tage 9 bis 13 - So, 10. Januar 2010 bis Do, 14. Januar 2010


In Taganga, einem Dorf voller Rucksacktouristen, wollten wir einen Tauchkurs machen. Aber nicht irgendwo, nein - es gibt eine deutsche Tauchschule in dem Ort, und das ist auch gut so. Auf 12 Meter Tiefe will ich nämlich keine Passion im Stile von "ups, da haben wir wohl vergessen, die Sauerstoff-Flaschen aufzutanken". Man kennt ja seine Pappenheimer.


Die Tauchschule Poseidon wird von einem Bayer namens Max geleitet, der dick auf seinem Bauch "Freistaat Bayern" tätowiert hat. Zusammen mit unserem Tauchlehrer Gerd und den beiden Hunden namens Sepp Maier und Franz Beckenbauer - siehe hier - fühlten wir uns doch richtig zu Hause. Hinzu kam, dass wir bei Thomas übernachteten - einem ebenfalls deutschen Freund von Max, der dort gerade dabei war, ein Hotel aufzubauen.
Taganga ist wegen der vielen Touristen recht sicher, aber trotzdem habe ich Geschichten von Leuten gehört, die ausgeraubt werden. Im Rückblick ist das Verhalten vieler Rucksacktouristen mir unerklärlich: "Düdüdü, ich bin ein fröhlicher Europäer, ich spreche die Sprache nicht, mein Handy ist mehr als euer Mindestlohn wert und mit dem Geld in meiner Tasche könnte eure ganze Familie zwei Monate Essen kaufen." Kein Wunder, wenn man da ausgeraubt wird. Kolumbien ist halt kein Paradies.
Im Meer sind Korallenriffe, um die sich die Fische tummeln. Auch wenn man nichts besonderes wie Moränen, Hummer oder Oktopusse sieht, so kann man sich auch einfach toll an der "ganz normalen" Fischwelt sattsehen.


So begannen wir unseren Tauchkurs mit dem Ziel, uns anschließend "PADI Open Water Diver" ("PADI Freiwassertaucher") nennen zu können. Mit am Start waren Flo aus Popayán (Kolumbien), den ihr vielleicht schon kennt, und Steffi aus Paraguay, die auch beide mit AFS und weltwärts in Südamerika waren. Hier schreibt Steffi über ihre Abenteuer in Taganga.


Wie man sieht, gab es bei Thomas ordentlich etwas zu essen! Leider war irgendetwas am Fleisch verdorben und so konnte ich nach akuten Magenbeschwerden - ergo: selbst Trinkwasser sofort wieder ausgekotzt - meinen Tauchkurs nicht fertig stellen, um stattdessen eine Infusion beim örtlichen Arzt zu erhalten. Eric schien zunächst der Glücklichere von uns beiden zu sein und fuhr mit seinem frisch erworbenen Titel nach Hause, um dort an den gleichen Symptomen wie ich zu leiden - aber noch eine Nummer schlimmer. Drei Tage Krankenhausaufenthalt wegen Würmern im Stuhl - da hatte ich noch einmal Glück gehabt!
Somit sollte es bis zur Reise mit meinen Eltern dauern, bis ich endlich den Tauchschein fertig machen konnte und jetzt "PADI Open Water Diver" bin. Schildkröte, Kugelfisch, Barrakuda, Rochen - alles schon bestaunt!

Legt euch schon einmal Taschentücher für die nächste Woche bereit - dann kommt der letzte Blogeintrag! =(

Bis dann, euer Lars

Sonntag, 8. August 2010

... con la misma playa, ...

... mit dem gleichen Strand, ...

So, und weiter geht’s. Womit eigentlich? Mit dem gleichen Strand? Den genau Mitlesenden unter euch mag vielleicht noch eine Ankündigung in Erinnerung sein, ich würde irgendwann den zweiten Teil über meine Reise an die Karibik schreiben. Wann war die nochmal? Und wann ist der erste Teil erschienen?
Um eure Erinnerung aufzufrischen: das Ganze trug sich im Januar zu, und im Mai folgte dann auch der erste Blogeintrag "En el mismo lugar sigue Cartagena ..." ("Cartagena ist immer noch am gleichen Ort ..."). Hier gibt’s noch einmal zur besseren Übersicht die Reiseroute:


2. Januar 2010: Cali - Medellín (Reisebus)
6. Januar 2010: Medellín - Bogotá - Cartagena (Flugzeug)
9. Januar 2010: Cartagena - Santa Marta (Reisebus)
14. Januar 2010: Santa Marta - Bogotá - Cali (Flugzeug)

Und wie gesagt, jetzt geht’s weiter.

Tag 6 - Donnerstag, 7. Januar 2010

Wir waren also an diesem wunderschönen weißen Strand angekommen und suchten nach einem Ort, wo wir unsere Hängematten aufhängen konnten. Ein paar Jugendliche erspähten uns sofort als reiche Weiße, und so liefen wir ein paar hundert Meter mit zu ihren Eltern, die dort eine kleine Holzhütte mit einem Unterstand für Hängematten hatten.


Doch so reich, wie wir aussahen, waren wir leider nicht. Irgendwie hatten wir uns verkalkuliert - genauer gesagt ich, denn Eric hatte eh kein Geld dabei. So rechnete uns die Frau, die ganz offensichtlich die Chefin war, wie viel die Übernachtung sowie ein Mittagessen, ein Abendbrot und ein Frühstück kosten würden. Es war nicht so unglaublich teuer, vielleicht 30 oder 40 Euro, aber wir hatten nur die Hälfte. Also kippten wir demonstrativ unsere - das heißt meinen – Geldbeutel auf den Tisch auf und feilschten um jedes einzelne Essen. Im Endeffekt mussten wir auf ein Essen verzichten, aber wir waren zufrieden mit unseren Verhandlungskünsten.
Das nächste Problem: Wir hatten kein Wasser mehr. Das ist jedoch bei 30 Grad Tag und Nacht essentiell lebensnotwendig. Also gingen wir auf die Suche nach Kokosnüssen, deren Wasser man ja auch trinken kann, doch ohne Erfolg – sie hingen alle viel zu hoch! Glücklicherweise gab uns jemand den Tipp, wir sollen es doch einmal bei der Polizei versuchen, da gäbe es sauberes Wasser. Und tatsächlich bekamen wir bei der kleinen Polizeihütte im Sand ein paar Liter abgekochtes Wasser in unsere mitgebrachten Plastikflaschen - ebenfalls essentiell notwendig - umgefüllt.
Also spannten wir unsere Hängematten auf – und entdeckten plötzlich noch eine halbe Flasche Rum vom letzten Abend in Erics Rucksack. Ohne Geld für Cola konnten wir damit jedoch nichts anfangen, und so kamen wir auf die Idee, den Rum dem Herren des Hauses im Tausch gegen zwei Essen anzubieten. Er bot mit Kind und Hahn auf dem Arm einen recht interessanten Anblick.


Ein kurzes Schnüffeln und die Sache war geritzt – sehr zum Ärger seiner Frau, die ganz offensichtlich den Tausch nicht gemacht hätte. Aber deshalb hatten wir den Rum ja auch ihm angeboten!


Ein weiteres Tier lebte bei der Hütte, allerdings dem Anschein nach eher ungeliebt. Dieser kleine Hund ähnelte einer Hyäne und wir hätten ihm ja gerne etwas gegeben – wenn wir selber etwas gehabt hätten! Doch so nagten wir die Fischgräten bis aufs Letzte ab, und der arme Hund musste weiterhungern.
Am Abend waren dann auch die ganzen Touristen endlich verschwunden und es wurde ruhig.


Tag 7 - Freitag, 8. Januar 2010

Eine entspannte Nacht später - in Hängematten kann man echt toll schlafen, besonders wenn es die eigenen sind - gingen wir vor dem Frühstück noch baden. Dann bekamen wir zufällig mit, wie ein Paar, das auch dort übernachtet hatte, zurück nach Cartagena fahren würde. Auf unsere Nachfrage hin konnten sie uns gegen ein bisschen Benzingeld mitnehmen – etwas, was uns im Nachhinein als verdammt gastfreundlich auffiel. 
Schließlich ist per Anhalter fahren in diesem recht gewalttätigen Land sehr unüblich, und es war wahrscheinlich unserem Aussehen sowie dem Image als seriöse Deutsche zu verdanken, dass wir mitgenommen wurden. Das Auto lag zwar mit uns und unserem Gepäck im Heck ein bisschen tief für die Bodenwellen, aber das stört in Kolumbien keinen. Ist halt ein Gebrauchsgegenstand.


So waren wir mittags wieder in Cartagena und konnten noch einen kleinen Stadtrundgang machen. Die Stadt ist sehr von ihrer kolonialen Architektur geprägt und altmodisch, aber schön.


Mir gefiel es jedoch nicht, wie sehr touristisch die Stadt war im Vergleich zum Rest von Kolumbien. So viele Weiße - besser gesagt: gut sonnengebräunte Rothäute - so viel Englisch, so… organisiert? Na, das wäre wohl zu viel des Guten. Die Stadt wirkt wie ein großer türkischer Basar, der wunderschön am Meer liegt.


Bei Sonnenuntergang wanderten wir langsam zurück in unser Hotel vom Vorvortage und machten es uns wieder auf dem Dach gemütlich, um den nächsten Tag zu planen. Leider gab es zu viele Sehenswürdigkeiten und zu wenig Zeit, sodass der Matschvulkan entfallen musste und wir stattdessen die alte Festung besichtigten, von der man eine tolle Aussicht auf die Stadt hatte.

Tag 8 - Samstag, 9. Januar 2010


Zitat Eric: „Das ist der Unterschied: Von Europäern vor dreihundert Jahren gebaut und steht immer noch wie ‘ne Eins. Das kennen die Kolumbianer gar nicht.“ Und tatsächlich war die Festung architektonisch ein Riesenteil – man kann sich vorstellen, wie viele Sklaven zum Bau benötigt wurden.


Neben dem Ausblick auf die Stadt nutzten wir die Chance, um ein patriotisches Bild für unsere Gastfamilien zu schießen. Der Rest der Festung war nicht sonderlich spannend, da die vom Reiseführer hoch gelobten Gänge im Fels ins vermoderte Nichts führten und außerdem für Riesen wie uns beim besten Willen nicht gemacht sind.


In alter Seefahrertradition zeigt Eric uns, wo es langgeht: Da! Na ja… wat’n Glück, dass ich die Landkarte hatte! Im Hintergrund seht ihr die Hochhäuser von Bocagrande („großer Mund“), wo die Schönen und Reichen leben.
Dann war es auch schon Mittagszeit und wir kämpften uns vorbei an Souvenir-, Eis-, Wasser- und Wasweißichverkäufern zurück zum Hotel, um mit dem Bus zum Busterminal zu fahren, das ein gutes Stück außerhalb der Stadt liegt.


Nachdem wir den richtigen Bus gewählt hatten, ging es 30 Minuten durch die wüstenähnliche Holzhüttenvorstadt. Am Terminal gab es nun aber keinen Direktbus nach Cartagena. Hmm... und jetzt? Ein windiger Verkäufer erkannte unsere Notlage sofort und lotste uns für den "Superpreis" von nur 55.000 Pesos, ca. 20 Euro - 50% teurer als normal - in den "einzigen Direktbus". Der Bus war eine alte Klitsche, doch irgendwie konnten weder Eric noch ich uns dazu durchringen, nein zu sagen, und so stiegen wir ein. Schon kurze Zeit später bemerkten wir unseren Fehler, als die anderen Busse auf der Landstraße nur so an uns vorbeirauschten.
Nach einer Weile machten wir einen Zwischenstopp an einer Tankstelle, um den Motor zu kühlen. Also wurde ein Einmer Wasser über den Motorblock gekippt, was das Innere des Busses von Wüstenklima - heiß, aber trocken - in eine Sauna verwandelte. Ob das nun gut ist für den Bus? Aber ihr kennt ja mittlerweile den pragmatischen Ansatz vieler Kolumbianer bezüglich des Umgangs mit ihrem Fortbewegungsmittel.
Es ging dann wieder auf die Straße, doch als wir selbst für die "policías" (wörtlich: Polizisten, hier: Langsamfahrhügel) nicht mehr abbremsen mussten, wussten wir, dass etwas faul war. Wenig später kam der Bus dann auch komplett zum Stehen und es ging nicht mehr weiter. Uns wurden 20.000 Pesos in die Hand gedrückt, und dann standen wir da. Die anderen Fahrgäste stiegen in irgendwelche Busse ein - und wir standen immer noch da. Irgendwo in der Wildnis an einer Landstraße, zwei Weiße und zwei Busfahrer.

Eric: "Hast du deinen Schlagstock?"
Lars: "Ja."
Dazu muss man anmerken, dass Eric einen Monat zuvor ausgeraubt worden war mitsamt seinem Schlagstock, und wir mittlerweile festgestellt hatten, wie gefährlich dieses Land sein kann.

Eric: "Dann hol ich mir mal 'nen Stock."
Schon wieder ganz schön viel, oder? Dann lass ich es auch für's Erste mal gut sein und hoffe, dass ihr nächste Woche wieder reinguckt.

Lars

Montag, 2. August 2010

Es tiempo de cambiar

Es ist Zeit für einen Wechsel

So, nach einer kurzen Phase der Verwaisung geht es tatsächlich noch weiter hier! Der Titel ist vom Lied "Odio Por Amor" ("Hass für Liebe") geklaut, in dem Juanes singt, es sei Zeit für einen Wechsel und man solle doch den Hass in Liebe umwandeln. Deshalb gibt es jetzt erst einmal das Musikvideo.


Ich bin nun seit anderthalb Wochen wieder in Deutschland und kann mich nicht über mangelnde Beschäftigung beklagen. Letzte Woche hatte ich den Pilotentest - und ich habe ihn tatsächlich bestanden! Ich werde Pilot bei der Lufthansa!
Das zieht natürlich eine ganze Menge Papierkram mit sich und den obligatorischen medizinischen Test in Frankfurt. Außerdem muss ich noch ein Essay für eine Sommerakademie schreiben - und eigentlich wollte ich auch noch Urlaub haben. Der Blog... ja, der muss dann halt mal warten. Und ihr dann gezwungenermaßen auch. Aber keine Sorge, ich habe noch genügend Material!
Die Reise durch Kolumbien mit meinen Eltern war toll! Der Top-Moment: als ich beim Tauchen eine Schildkröte gesehen habe. Der Flop-Moment: als ich feststellen musste, dass ich meine Kamera verloren habe. Zum Glück waren alle vorherigen Bilder auf meinem Computer gespeichert, und für den Urlaub hatte mein Vater auch eine Kamera mit. Ich werde nicht über die Reise berichten - erstens würde das den Rahmen sprengen und zweitens ist das auch etwas Privates.


Nach der Reise kamen drei traurige Tage, in denen ich mich von meiner Gastfamilie, von meinen Freunden und von meiner Stadt verabschieden musste. Dieses Panorama  von Cali entstand zwar schon eine Weile eher, aber schön anzusehen ist es trotzdem. Wie immer wird das Bild größer, wenn ihr draufklickt.


Außerdem waren wir noch auf dem Berg von "Cristo Rey" ("König Christus"), von wo aus man einen wunderschönen Blick über die Stadt hat.


Auf den folgenden Bildern sieht man in Richtung Norden die Innenstadt, ...


... in Richtung Westen die Straße nach Buenaventura zum Pazifik, ...


... in Richtung Süden die wohlhabenderen Viertel der Stadt ...


... und in Richtung Osten kann man die Weite von Cali nur erahnen.


Das rechte der beiden markierten Häuser ist mein Zuhause gewesen.


Am Straßenrand war ein Künstler schon seit mehr als einem Jahr dabei, Dutzende solcher Figuren in das Tongestein zu modellieren.

Ein kurzer Eintrag voller Bilder neigt sich dem Ende zu... aber eine Sache habe ich noch für euch, und zwar das Video über meine Arbeit in hoher Qualität! Tipp: unten, wo 240p oder 360p steht, auf 720p klicken. Dann ggf. noch auf die vier Pfeile für den Vollbildmodus klicken - und voilá! Dies wäre übrigens der direkte Youtube-Link.


Viel Spaß beim Anschauen und bis nächste Woche, euer Lars

Sonntag, 18. Juli 2010

¿Valió la pena? Parte Tres

War es es wert? Teil Drei

Teil 3 - War es es für die Kolumbianer wert?

Kurzfristig - JA / Langfristig - NEIN

Kommen wir nun zur eigentlichen Zielgruppe: den Kolumbianern. Schließlich wird weltwärts vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz BMZ, finanziert. Und wo Entwicklungshilfe draufsteht, sollte auch welche drin sein.
Auf den ersten Blick scheint mein Projekt sehr sinnvoll zu sein. Andere weltwärts-Teilnehmer arbeiten im Zoo oder irgendwo beim Roten Kreuz - sicherlich tolle Arbeit, die aber auch ein Kolumbianer machen könnte. Ich behaupte hingegen einfach mal, dass nur wenige Einheimische meine Arbeit machen könnten, da Englischkenntnisse auch unter Uni-Absolventen eher rar gesät sind.
Außerdem haben meine Schüler tatsächlich profitiert - durch kleinere Klassen, persönliche Betreuung und Unterricht, der nicht nur auf den ICFES zugeschnitten ist. Der ICFES ist ein Test, den man in Kolumbien machen muss, um an der Universität zu studieren, und die Punktzahl entscheidet wie der NC in Deutschland maßgeblich über die möglichen Studienfächer.
Das Ganze ist allerdings ein Multiple-Choice-Test mit den Auswahlmöglichkeiten A, B, C und D, und so lernen viele Schüler nur, das richtige Wort auszuwählen. Das ist in Fremdsprachen jedoch meiner Meinung nach fatal, denn wenn ich mit jemandem rede, bietet diese Person mir ja auch nicht vier Möglichkeiten an. Also muss ich lernen, eigene Sätze zu konstruieren, und das war das Ziel meines Unterrichts.
Meine Schüler konnten also von mir profitieren. Wer noch? Meine Arbeitskollegen vielleicht, da ich ihnen meine Arbeitsblätter kopiert habe. Aber sonst?
Die Arbeitsmoral bleibt doch die gleiche! Wenn die Stunde eigentlich beginnen soll, holen sich die Lehrer erstmal einen Kaffee, und um 12 Uhr sind kaum noch Lehrer in ihren Klassenräumen anzutreffen, obwohl der Unterricht morgens bis 12.30 Uhr geht.
Alle paar Tage ist keine Schule wegen Wasweißich - da kann ich doch überhaupt nichts gegen machen, sondern muss das einfach akzeptieren. Doch wo ist denn dann die Entwicklung? Bingo - nicht existent.
Und genau deshalb halte ich nichts mehr von Entwicklungshilfe. Wozu zahlen wir denn überhaupt so viel Geld an arme Länder? Die Industriestaaten sind wie Eltern, die ihr Kind - die Entwicklungsländer als ehemalige Kolonien - schlecht erzogen haben. Leider ist das Kind nun schon längst volljährig, und wir fühlen uns schuldig, weshalb wir Geld- oder Sachleistungen erbringen.
Gegen Sachleistungen habe ich nichts. Infrastruktur- oder Umweltprojekte sind durchaus unterstützenswert, da dort der Wille da ist, es aber an Geld fehlt. Aber der Rest ist meiner Meinung nach nicht nur sinnlos, sondern auch anmaßend.
Nehmen wir mal an, ich wollte dieses Land wirklich entwickeln. Pünktlichkeit, strikte Trennung von Arbeit und Privatleben oder vernünftiges Verhalten im Straßenverkehr wären nur einige Punkte, wo ich Verbesserungsbedarf sehe.
Doch wen interessiert es, was ich sehe? Wichtig ist doch, was die Kolumbianer sehen - schließlich ist es ihr Land und nicht meins! Und die Kolumbianer erscheinen mir mehr oder weniger zufrieden mit ihrem Land. Das ausgeprägte Familienleben hier in Kolumbien beispielsweise behindert ganz klar die wirtschaftliche Entwicklung.
Wenn die Oma wichtiger ist als die Arbeit, und die Leute damit glücklich sind - wie kann ich mir denn dann anmaßen, dieses Land "entwickeln" zu wollen? Die Arbeit über die Oma zu stellen - woher nehme ich mir dieses Recht? Diese Initiative muss schon vom kolumbianischen Volk selber kommen.
Entwicklungshilfe - abgesehen von den Sachleistungen - ist für mich der Wille, anderen Völkern unsere Kultur aufzuzwingen. Aber dazu habe ich kein Recht.


Damit wäre der Blog eigentlich zu Ende. Allerdings fehlen noch zwei Reiseberichte. Nächste Woche folgt der zweite Teil meiner Karibikreise im Januar, und dann kommt noch ein Bericht über einen Ausflug nach Popayán zu Ostern.

Bis dahin, euer Lars

Sonntag, 11. Juli 2010

¿Valió la pena? Parte Dos

War es es wert? Teil Zwei

Teil 2 - War es es für die deutschen Steuerzahler wert?

Kurzfristig - NEIN / Langfristig - JA

Der deutsche Steuerzahler hat ja meine Abenteuer hier in Kolumbien mit 5.400 Euro finanziert. Weitere 1.800 Euro kamen von meinen Spendern, denen ich noch einmal von ganzem Herzen danken möchte. Aber lohnt sich das "weltwärts"-Programm für Deutschland? Ist es das viele Geld wert?
Wir schauen zunächst einmal auf die direkten Folgen für Deutschland. Ich habe zugegebenermaßen nicht besonders viel gearbeitet und bin stattdessen gereist. Gezwungenermaßen, möchte ich fast sagen, denn wenn es keine Arbeit gibt, dann ist Reisen doch deutlich besser als zu Hause herumzusitzen, meiner Gastfamilie auf die Nerven zu gehen und nichts zu tun.
Kurzfristig hat Deutschland mir also mit 5.400 Euro ein Jahr Urlaub in den Tropen beschert, um es mal ganz offen zu sagen. Es gab auch - besonders im zweiten Halbjahr - viele Tage, an denen ich zehn Stunden in der Schule war und abends todmüde ins Bett gefallen bin, aber im Endeffekt werde ich wohl nie wieder so viel Freizeit haben, bis ich in Rente gehe. Es war meinetwegen ein Erlebnisurlaub, ein Bildungsurlaub, ein Arbeitsurlaub - aber im Großen und Ganzen war es Urlaub.
Kurzfristig ist für den deutschen Steuerzahler also nicht besonders viel Profit aus diesem Jahr zu schlagen - langfristig hingegen umso mehr! Ich spreche mittlerweile mehr oder weniger perfekt Spanisch, und habe  Unmengen gelernt.
Wie viele deutsche 19-Jährige können wohl eine kolumbianische Affenbande - äh, ich meine natürlich Schulklasse - unter Kontrolle halten? Wie viele können von sich sagen, ein eigenes Lehrkonzept entwickelt zu haben und dies gegen alle Widerstände - vornehmlich Faulheit, etwas zu ändern - durchgezogen zu haben?
Wie viele Jugendliche in Deutschland kennen absolute Armut nicht nur aus dem Fernseher - und wie viele haben dann in einem solchen Viertel abends gesessen und mit Jimmy und Orlando Bier getrunken? Wie viele Jugendliche wissen den Wert des Lebens wirklich einzuschätzen?
Diese Erfahrungen kann mir niemand mehr nehmen, und ich will versuchen, sie dazu einzusetzen, die Welt positiv zu verändern. Außerdem werden solche Erfahrungen auch von Firmen geschätzt, und das Jahr wird mir mehr als die "verlorene Zeit" nützen.
Wer zahlt denn morgen die Renten der Arbeiter von heute? Wer die Schulen? Wer das weltwärts-Programm? Ich fühle mich innerlich dem deutschen Staat verpflichtet, die eingesetzten Steuergelder in vielfacher Höhe zurückzuzahlen.

Lars

Sonntag, 4. Juli 2010

¿Valió la pena? Parte Uno

War es es wert? Teil Eins

In Anlehnung an eine tolle Salsa des Puertoricaners Marc Anthony soll das hier ein Resümee werden, ob sich dieses Jahr gelohnt hat. Und damit sich das Ganze nicht so trocken anhört, gibt´s "Valió la Pena" hier als Video.


Da stellt sich natürlich zuerst einmal die Frage, für wen ich überhaupt den Nutzen analysiere. Drei Zielgruppen wurden von meinem Jahr in Kolumbien beeinflusst:

  • Ich.
  • Die deutschen Steuerzahler.
  • Die Kolumbianer.

Teil 1 - War es es für mich wert?

Kurzfristig - JA / Langfristig - JA

Fangen wir mal mit mir an. Noch mal eine ganze Ecke härter als die USA war Kolumbien genau DIE Herausforderung, die ich mir gewünscht hatte! Ich hätte es nie gedacht, aber dieses Jahr war das bisher beste in meinem Leben. Wie habe ich mich verändert?
Ich bin ruhiger geworden, mich regt nichts mehr auf. Irgendetwas passiert immer und verändert alle Pläne - zum Guten wie auch zum Schlechten, wobei das zum größten Teil von meiner Einstellung abhängt. Also äußerlich und innerlich lächeln, und es wird schon. Es hat alles seine Vorteile.
Außerdem stellt man doch in einem solchen Jahr fest, wer wirkliche Freunde sind. Seien es Gespräche über Skype, dann und wann mal eine Mitteilung auf Facebook, ein Kommentar in meinem Blog, überschwängliche Freude beim Hören meiner Stimme am Telefon, oder gar ein Besuch in Kolumbien - solche Dinge machen einem das Leben schöner, und so freue ich mich dann auch auf die Rückkehr.
Ich habe festgestellt, wie sehr ich doch in Deutschland und seiner Kultur verankert bin. Nicht nur das Essen - dass es im Ausland kein vernünftiges Brot gibt, habe ich ja schon in den USA festgestellt - sondern auch das Familienbild, die Vorstellung von Arbeit und die Lebensweise sind ja schon recht deutlich anders. Beides hat seine Vor- und Nachteile, aber wenn ich das Gesamtpaket anschaue, gefallen mir die deutschen Ideen besser.
Das liegt nicht daran, dass sie besser sind, sondern daran, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin. Wären mein Gastbruder und ich nach der Geburt ausgetauscht worden, so würde er diesbezüglich wohl wie ich denken, und ich wie er.
Ich nehme eine Menge an Erfahrungen mit. Eine kleine Auflistung:

Tauchen. Allein reisen. Unterrichten. Salsa tanzen. Sich nicht ärgern. Flüge buchen. Gleitschirmfliegen. In einer Hängematte schlafen. Ohne Geld dastehen. Nudeln mit Garnelen - oder besser gesagt: Garnelen mit Nudeln. Absolute Armut. Gefahr für Leib und Leben. Der Segen des Internets. Spaß. Trauer. Liebe. Enttäuschungen. Einladungen. (Un)Pünktlichkeit. Privatsphäre. Affe auf dem Kopf. Im Amazonas baden. Einsame Karibikstrände. Surfen. Früh aufstehen.
Nach all diesen Erfahrungen bin ich müde. Nicht lebensmüde, aber kolumbienmüde. Ich habe das Leben hier bis zum Anschlag genossen, und jetzt ist es auch genug.
Nächste Woche folgt Teil zwei mit der Antwort auf die Frage, ob es sich für den deutschen Steuerzahler gelohnt hat.

Bis dahin, Lars

Sonntag, 27. Juni 2010

El nuevo presidente

Der neue Präsident

Am letzten Sonntag waren in Kolumbien Präsidentschaftswahlen. Nach zwei Amtszeiten unter Álvaro Uribe durfte dieser nicht noch einmal zur Wiederwahl antreten, woraufhin er das Verfassungsgericht anrief, das jedoch im Februar das Verbot aufrecht erhielt.
Eigentlich war lange klar, dass der ehemalige Verteidigungsminister Juán Manuel Santos von der U-Partei gewinnen würde. Das U steht für Union, und die Partei ist wie in Deutschland konservativ. Santos war der designierte Nachfolger von Uribe, und so schien es ein langweiliger Wahlkampf zu werden, bis Antanas Mockus ins Geschehen eingriff.
Der Mathematiker, Sohn zweier Einwanderer aus Litauen, war zweimal Bürgermeister von Bogotá und tat sich mit Sergio Fajardo, dem Ex-Bürgermeister von Medellín, zusammen, um für die Grünen bei der Präsidentschaftswahl anzutreten.
Vor einigen Monaten wurde die grüne Bewegung dann immer stärker, da besonders die jungen Leute die Ideen von Mockus - weniger Geld für das Militär, mehr Geld für Bildung - unterstützten.


Die Zentrale der Grünen in Cali - 50 Meter von meinem Haus entfernt.

In meinem Reiseführer steht, man solle sich aus politischen Angelegenheiten raushalten, da man über diese Dinge nicht spricht. Weit gefehlt - aber gaaaaaaanz weit!  Jeder erzählt jedem, für wen er stimmen wird, und viele Leute laufen mit Armbändern für ihren Kandidaten herum.
Nachdem ich mich ein bisschen informiert hatte, entschloss ich mich, auch ein Armband für Mockus zu tragen. Schließlich sehe ich tagtäglich, wie sehr es an Lehrern und Ausstattung in meiner Schule mangelt, und außerdem ist Mockus der einzige Politiker, von dem selbst die Kolumbianer sagen, er wird kein Geld in die eigene Tasche stecken. So zahlte er unter anderem fast zwei Millionen Euro an Wahlkampfunterstützung an den Staat zurück, da man das Geld besser für Bildung nutzen solle.
Die erste Runde der Wahlen gewann Santos dann allerdings krachend, und so konnte er auch die zweite Runde für sich entscheiden. Hier schreibt der SPIEGEL über das Ergebnis der Wahlen. Allerdings gibt es bei kolumbianischen Wahlen immer wieder Unregelmäßigkeiten, auf die ich kurz eingehen möchte.
So werden in den armen Vierteln angeblich Stimmen gekauft, oder das Endergebnis aus dem Chocó, dem unwegsamen Bundesland am pazifischen Regenwald, werden fünf Minuten nach Schließung der Urnen übermittelt. Ich will nicht sagen, dass die Vorwürfe wahr sind oder dass es Deutschland so etwas überhaupt nicht gibt - aber zumindest die Leute hier glauben, dass sie betrogen werden. Viele haben ihr Vertrauen in die Politik verloren und gehen deshalb nicht mehr zur Wahl.
Eine weitere kolumbianische Eigenheit ist die "ley seca", das so genannte "trockene Gesetz". Von Freitag um 18 Uhr bis Montag um 6 Uhr darf kein Alkohol verkauft oder auf der Straße getrunken werden. Daher sind alle Bars geschlossen und es herrscht eine gespenstische Stille auf den am Wochenende sonst so lebhaften Straßen.


Hier sieht man, wie im Supermarkt die Regale mit Polizeiband abgesperrt werden. Der Grund dafür ist, dass der Staat will, dass die Leute nicht betrunken zur Wahl erscheinen oder am Sonntag lieber ihren Rausch ausschlafen, anstatt ihren bürgerlichen Pflichten nachzugehen. Warum dann allerdings der Freitag und Sonntag Abend ebenfalls unter die "ley seca" fallen, konnte mir bisher noch keiner sagen.

Samstag, 26. Juni 2010

El alfabeto colombiano: Z

Das kolumbianische Alphabet: Z

Z wie Zeit

Zeit ist relativ. Das wusste schon Albert Einstein, doch dank Kolumbien weiß ich es jetzt auch! Besonders weil morgen ja auch noch ein Tag ist, stört es mich kaum mehr, wenn etwas nicht klappt. Auch jetzt, wo mir nur noch wenig Zeit bleibt und ich noch viel erledigen muss, gerate ich nicht in Eile. Was bringt es auch?
Irgendetwas wird mich eh wieder aufhalten - sei es mein noch nicht reparierter Computer, seien es die Kreuzung verstopfende Autos, sei es der nicht kommende Bus - oder sei es was weiß ich. Irgendwas ist immer. Egal.
Außerdem will ich mich nicht hetzen, sondern jede mir noch verbleibende Sekunde in Kolumbien aufs Höchste genießen und auskosten. So denkt ein Kolumbianer jeden Tag - genieße das Leben. Löblich, geht aber leider zu Lasten der wirtschaftlichen Produktivität. Doch wieso ist die Mentalität hier so?
Dafür gibt es ein Stichwort - Äquatorregelung. So habe ich das Phänomen getauft, das ich nach einem Jahr festgestellt habe. Auch euch dürfte bekannt sein, dass beispielsweise die Griechen entspannter sind als die Deutschen - besonders, was ordnungsgemäße Buchhaltung angeht. Ich behaupte, dass die Arbeitsmoral auf den Breitengrad zurückgeht. Je näher man dem Äquator ist, desto weniger eilig haben es die Leute.
Noch vor 50 Jahren musste man in Deutschland für den Winter vorsorgen. Gemüse und Obst wurden taggenau gesät und geerntet, da Frost oder Regen alles zerstören konnte. Nichts mit nächste Woche - heute, jetzt!
Hier am Äquator im tropischen Regenwald kennt man dieses Problem nicht. Wenn die Ananas heute nicht geerntet wird, dann halt morgen oder übermorgen. Und wenn sie dann vergammelt ist? Egal, gibt ja genug. So ein Regenwald wuchert ja vor sich hin - da macht ein Tag keinen Unterschied.
Überhaupt, was ist ein Tag, was ist ein Jahr? Ohne Jahreszeiten verliert man jeden Überblick. Wenn ich morgen aufstehe, könnte es genauso gut der 17. Januar oder der 5. Oktober sein - ich würde keinen Unterschied erkennen. Tag für Tag für Tag ist gleich.
So kann man mit gutem Gewissen einen Tag in der Hängematte verbringen. Oder zwei. Oder auch jeden Tag. So funktionierte es früher.
Heute funktioniert die Natur immer noch so - nicht jedoch die Wirtschaft. Bei solch einer Verhaltensweise gibt es keine Entwicklung, und so bezeichnen wir heute als Armut, was vor 50 Jahren genauso war. Die so lebenden Leute haben sich nicht geändert, nur die Umgebung!

Freitag, 25. Juni 2010

El alfabeto colombiano: Y

Das kolumbianische Alphabet: Y

Y wie PartY

So frustrierend die wirtschaftliche Lage, das Leben, der Krieg mit der Guerilla auch sein mag - gefeiert wird trotzdem! Und im Party machen haben uns die Kolumbianer einiges voraus. Egal wo, egal wer, egal wie - bei stimmiger Musik und einer Flasche Aguardiente wird getanzt, was das Zeug hält. Doof nur, dass man als Mann immer ausgeben muss.
Ich habe mit meinen Schülern auch eine Abschiedsparty gemacht. In einem Schwimmbad mit Tanzfläche verbrachten wir am letzten Donnerstag den Abend, da ich nur noch eine Woche arbeite. In diesem Blog findet ihr einige Eindrücke der Feier.


Tropische Nächte - nicht Pseudo wie bei Hagenbeck, sondern in echt!

In kolumbianischen Bars und Diskos wird so gut wie nur spanische Musik gespielt - die verschiedenen Stile habe ich ja hier bereits vorgestellt. Das Schöne daran ist, dass man das Ganze mit einem Mädchen bzw. einer Frau tanzen kann, während man ja in deutschen Clubs meist mehr oder weniger alleine oder in der Gruppe vor sich hin tanzt.


Noch besser ist dann, dass das Ganze überhaupt kein Vergleich zum doch recht steifen deutschen Standardtanz ist. Den Grundschritt hat man nach ein paar Wochen intus und dann wird drauflos getanzt, die Hüfte geschwungen, die Arme bewegt, und mit dem Arsch gewackelt!


Ein festes Schema? Nö - Hauptsache es macht Spaß. Alles an Drehungen und Öffnungen ist möglich, bis einem schwindelig wird! Und wenn einem nach einer Weile die Ratschgurke der Salsa auf die Nerven geht, dann tanzt man halt Merengue oder Bachata.


Der einzige Tanz ohne Grundschritt ist Reggaetón. Nicht ohne Grund wird der Tanz auch "Sex mit Kleidung" genannt. Ob man sich nun kennt oder nicht - schon werden Körper an Körper zur Musik bewegt, ganz ohne Hintergedanken. Jedenfalls meistens.


So sieht das dann aus.