Sonntag, 25. Oktober 2009

Y otra semana llena de pasión

Und noch eine Woche voller Passion

Eigentlich wollte ich euch heute berichten, wie aktiv ich nun endlich in der Schule bin, da ich ja bisher fast nur Ferien hatte. Doch da die Schule in den fast fünf Wochen Sommerferien es nicht geschafft hat, die Stundenpläne fertigzustellen, saß ich diese Woche erst einmal auf dem Trockenen. So verbrachte ich am Dienstag und Mittwoch den Tag zu Hause, im Fitnessstudio oder in einem Einkaufszentrum mit einer Freundin.
Zudem war ich mit einer Freundin an dafür angelegten Teichen angeln - in den Flüssen sollte man das Angeln lieber lassen, wenn man den Fisch auch essen möchte. Nachdem ich mir den Angelhaken erst einmal in den eigenen Finger geworfen hatte (das tut ganz schön weh, die armen Fische), fingen wir dann auch einen Fisch - das heißt sie. Mir fraßen die Fische immer nur die Köder von den Haken, ohne anzubeißen, wie ich beim Herausholen der Angel feststellen musste.



Hier sieht man mich mit dem Fang ...



... und hier wird der Fisch gerade ausgenommen und geputzt.

Am Freitag traf ich mich also endlich mit der Koordinatorin und mir wurde erzählt, es sei momentan noch nicht möglich, mich einzuplanen, da die Stundenpläne erst am 2. November fertig sein werden.
Ich bin jedoch weder frustriert noch genervt, sondern nutze die Zeit, um Ideen für das Jahr zu entwickeln. So hatte ich die Idee, dass ich die besten Schüler einer jeden Englischklasse in kleinen Gruppen auf einem höheren Niveau unterrichten werde. Dadurch hoffe ich, dass die Schüler aus der 10. und der 11. Klasse bessere Chancen haben werden, zur Uni gehen zu können. Letztes Jahr haben sich zehn Schüler des Sprachprofils an verschiedenen Universitäten beworben, und keiner wurde auf Grund der schlechten Leistungen in Englisch genommen!
Sowohl die Lehrer als auch die Koordinatorin waren begeistert von der Idee und wenn das Ganze dann irgendwann mal losgeht, ist das eine total sinnvolle Aufgabe, wie ich finde. Wie ich selber 13 Jahre lang in der Schule erfahren musste, ist Unterforderung total demotivierend - und in Klassen von bis zu 40 Schülern war die Förderung Einzelner am Colegio INEM bisher nicht möglich. Das will ich ändern, um so den Schülern, die intelligent sind und etwas lernen wollen, auch die Chance dazu zu geben.
Desweiteren werde ich ebenfalls für interessierte Schüler einen Englischklub nach der Schule anbieten, sodass alle, die wollen, auch einmal das Sprechen üben können - hier ist der Unterricht nämlich meist sehr text- und theorielastig. Außerdem soll ich der Schulleitung Englisch beibringen, und auch noch selber einen Sprachkurs von der Deutschlehrerin erhalten. Der hätte eigentlich schon letzte Woche anfangen sollen, aber als ich dann zum verabredeten Zeitpunkt in der Schule war, hatte sie es vergessen und war zu Hause.
Desweiteren werde ich ebenfalls für interessierte Schüler einen Englischklub nach der Schule anbieten, sodass alle, die wollen, auch einmal das Sprechen üben können - hier ist der Unterricht nämlich meist sehr text- und theorielastig. Außerdem soll ich der Schulleitung Englisch beibringen, und auch noch selber einen Sprachkurs von der Deutschlehrerin erhalten. Der hätte eigentlich schon letzte Woche anfangen sollen, aber als ich dann zum verabredeten Zeitpunkt in der Schule war, hatte sie es vergessen und war zu Hause.
Man entwickelt hier unter dem Leitspruch „Colombia es pasión“ eine erstaunlich hohe Frustrationstoleranz.



Eigentlich ist das Ganze eine Werbekampagne für Kolumbien, wie man im Video sieht, doch für uns Deutsche hat der Satz eine komplett andere Bedeutung. Sprachlehrerin kommt nicht? Strom fließt nicht? Internetverbindung hält nicht? Tacho läuft nicht? Stundenplan gibt’s nicht? Ampeln leuchten nicht?



Bus fährt nicht?

Na und? „¡Colombia es pasión!“ Die Kolumbianer freuen sich, dass man das Ganze mit Humor nimmt und die Kampagne kennt, und auch für den eigenen Stresslevel wirkt der Spruch entspannend.
Man muss sich das so vorstellen, als würde ein Kolumbianer in Deutschland, wenn Dinge nicht funktionieren, den Satz „Du bist Deutschland“ von sich geben. Entspannt die Situation ungemein, und aufregen bringt sowieso nichts. Hierzu gibt es ab jetzt im meinem Blog die (unregelmäßige) Rubrik „Passionsfrucht der Woche“. Momentan kann ich mir noch nicht vorstellen, dass mir da der Gesprächsstoff ausgeht.
Mein Spanisch ist mittlerweile schon deutlich besser geworden, und ich verstehe nahezu alles, was Leute mir sagen, wenn auch dann und wann nur mit beidseitigem Einsatz von Händen und Füßen. Wenn zwei Leute sich allerdings unterhalten, verstehe ich kaum etwas, sodass es für mich schwierig ist, mich in bestehende Gespräche einzubringen.

Mein Lieblingssatz neben „Colombia es pasión“ ist daher eindeutig:



„¡Mas despacio, por favor!“ (Langsamer, bitte!)

In dieser Woche haben wir endlich die Reise an den Amazonas mit meiner Organisation AFS gebucht, wobei mein Freund Eric aus Bogotá und ich einen satten Rabatt heraus handeln konnten. Der Preis von 1,5 Millionen Pesos, etwa 500 Euro, erschien uns nämlich ein bisschen hoch für eine fünftägige Reise und so fragten wir nach der Kalkulation, während wir gleichzeitig die Planung einer eigenen Reise an den Amazonas in Angriff nahmen.
Es stellte sich heraus, dass AFS mit der teuersten Fluggesellschaft "Aero República" die flexibelsten, also auch die teuersten Tickets buchen wollte, während die Flüge mit "Aires", einer Billigfluggesellschaft, von Cali nach Leticia und zurück statt 150 Euro nur 50 Euro kosten. Also buchten wir unsere Flüge selber und sparen so jeder ein ganzes Monatsgehalt von 100 Euro, oder umgerechnet etwa 300.000 Pesos.
Es geht also vom 1. bis zum 5. Dezember an den Amazonas und vom 11. bis zum 18. Dezember in die Karibik - diese Reise kostet mich nur etwa 200 Euro, hinzu kommen allerdings noch die Kosten für Verpflegung und alle Aktivitäten, was beides in der Reise an den Amazonas schon enthalten ist.

Und nun, die Verleihung der ...



Sie geht an mich! Ich habe es nämlich wieder einmal nicht geschafft, meinen Blogeintrag rechtzeitig hochzuladen wegen verschiedener Aktivitäten, unter anderem schon wieder ein Geburtstag. Aber darüber wird dann nächste Woche berichtet - außerdem über ein Treffen mit dem Bürgermeister, und es wird die zweite Passionsfrucht der Woche verliehen!

Bis dahin macht's gut, euer Lars

Samstag, 17. Oktober 2009

El representante del gobierno alemán

Der Vertreter der deutschen Regierung

Neulich war bei uns in der Schule die "graduación" - vergleichbar mit der deutschen Abi-Entlassung. Ich wurde von einer Schülerin eingeladen und machte mich also in meinen Ferien auf den Weg zur Schule, um morgens um 8.30 Uhr in der Turnhalle zu sein.



Alle Schüler trugen sowohl Talare als auch diese Hüte, die am Ende in die Luft geschmissen wurden.

Hier in Kolumbien sind alle Frühaufsteher - so fängt zum Beispiel am Colegio INEM die Schule morgens um 6.30 Uhr an, und auch die Schule meines Gastbruders beginnt um 7 Uhr. Das liegt zum Einen an der Zeitzone, denn die Sonne scheint hier immer von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends, und zum Anderen an der Hitze, die über den Tag hinweg immer mehr wird. Das hiesige Wetter könnt ihr übrigens jetzt auch in meinem Blog, auf der linken Seite ganz oben, mitverfolgen.
An der Schule angekommen, lud mich der Rektor ein, doch zu ihm und den anderen wichtigen Personen nach oben auf das Podium zu kommen, während die "normalen" Lehrer unten sitzen blieben. Als dann die Veranstaltung mit 20 Minuten Verspätung - Colombia es pasión - begann, wurde ich als der "Vertreter der deutschen Regierung, Lars V?§$!%#&" - mit meinem Nachnamen haben die Kolumbianer doch schwer zu kämpfen - vorgestellt.



Am Anfang klatschen alle noch ...



... am Ende nicht mehr - das ist mir erst bei der Betrachtung der Videos aufgefallen!

Ich bin hier ein Aushängeschild in meinem Projekt und, in gewissem Maße, auch für meine Familie. Überall werde ich stolz als ein weiterer Sohn der Familie vorgestellt - sei es im erweiterten Familienkreis, gegenüber Freunden, Mitarbeitern oder bei der örtlichen Bäckerei.
Daraufhin werde ich meistens von diesen Leuten ebenfalls eingeladen, doch mal zu Ihnen nach Hause zu kommen, um ihre Familie - meist werden die Töchter erwähnt - kennen zu lernen, um Salsa zu lernen oder um Englisch mit ihnen zu sprechen. Man lernt hier wirklich schnell viele Leute kennen, und auch auf der Straße werde ich oft angesprochen, wenn ich gerade mal wieder warte - und das muss ich häufig, sei es auf den Bus, einen Freund oder eine Freundin.
So kam am Dienstag ein Schwarzer auf mich zu und fragte mich, woher ich komme und was ich hier machen würde. Nach zwei Minuten lenkte er dann das Gespräch in Richtung Drogen und sagte, ein Gramm Haschisch koste hier umgerechnet 35 Cent und ein Gramm Kokain 3,50 Euro.
Nachdem ich ihm sagte, dass ich keine Drogen nehme, redeten wir noch eine Weile miteinander über die kolumbianischen Mädchen - das ist hier das Standardthema, wenn man mit einem Mann redet, und sie sind ja wirklich hübsch! Dann verabschiedete er sich höflich und ging wieder, und ich frage mich bis heute, ob er mir jetzt Drogen verkaufen wollte oder mich einfach nur kennen lernen wollte.
Ein paar Tage zuvor wurde ich ebenfalls beim Warten von zwei Männern angesprochen, ob ich wüsste, wo es hier "chicas" ("Mädchen") gäbe. Ich verschwieg ihnen, dass ich auf ein Mädchen wartete, aber wahrscheinlich waren sie auch nach einer anderen Sorte aus, mit der ich leider nicht dienen konnte. Seltsamerweise kamen sie dann in den nächsten zehn Minuten zweimal wieder und wiesen mich jedes Mal darauf hin, wie gefährlich es doch sei, hier alleine zu warten.
Kurzer Überblick über die Situation: Ich stand um die Mittagszeit vor einem der teuersten Hotels der Stadt, dem "Torre de Cali" ("Turm von Cali" - da kann man für 3,50€ auch nach oben fahren und sich die Stadt anschauen, was ich bisher noch nicht gemacht habe), etwa zehn Meter neben einem bewaffneten Wachmann.



Ein Blick auf die Innenstadt vom "Torre de Cali" - aber von unten.

Da habe ich hier schon deutlich gefährlichere Sachen gemacht, wie zum Beispiel eine unbeleuchtete Straße um 20 Uhr entlang gelaufen, 600 Meter lang, ohne Häuser an der Seite, Fußweg wild bewuchert. Aber da bin ich tatsächlich gelaufen und nicht gegangen - wozu gehe ich denn hier auch fast täglich ins Fitnessstudio - und im Nachhinein war die ganze Aktion auch ziemlich dumm, da sollte man sich dann besser das Taxi leisten. Aber irgendwie war ich zu dem Zeitpunkt zu geizig dazu, und ich bin weder überfallen noch überfahren worden. Glück gehabt.
Ansonsten besuche ich beim Warten oft die örtlichen Supermärkte und kaufe meistens irgendwelche Früchte - so zum Beispiel zum Spottpreis von 70 Cent fünf Granadillas, oder für 35 Cent sechs Minibananen.



Die kleine Bananenstaude - gut und günstig!



So sehen Granadillas von außen aus...



... und so von innen.

Am einfachsten sind die "Fischeier", geschmacklich einer Maracuja ähnelnd, mit einem Löffel zu essen, aber auch herausschlürfen ist möglich.
Gummibärchen hingegen sind hier exorbitant teuer, für 100 Gramm im Discounter zahlt man etwa 1,30€. Die Kolumbianer stehen mehr auf harte Süßigkeiten wie Lollis. Daher lasse ich mir von meiner Gastmutter eine Menge deutscher Süßigkeiten importieren, denn sie ist ab heute für zwei Wochen in Europa mit ihrem Unternehmen "Comfandi", und in der zweiten Woche wird sie für die ExpoKolumbien in Berlin sein.
Meine Gastmutter scheint in ihrem Unternehmen ziemlich wichtig zu sein, denn sie fliegt zusammen mit dem Chef des Unternehmens und dem Bürgermeister. Ebenfalls habe ich neulich herausgefunden, dass sie durch ihren Job den Präsidenten Kolumbiens, Alvaro Uribe, persönlich kennt - er sei, so Maria Nelly, "muy querido" ("ein sehr lieber Mensch").
Wer mir also nach Kolumbien etwas schicken möchte, kann dies meinen Eltern geben, die meine Gastmutter treffen werden. Da sie nur einen Koffer mitnimmt, aber auf dem Rückflug zwei Koffer Freigepäck hat, werden meine Eltern eine Reisetasche mit maximal 23 Kilogramm Gewicht packen - also genug Platz für etwaige Geschenke für mich. Geht schneller als die Post - und es kostet nichts!

Euer Lars

Dienstag, 13. Oktober 2009

¡Feliz cumpleaños!

Herzlichen Glückwunsch!

Ich sitze gerade auf der Terrasse der Finca, während es seit langem endlich mal wieder regnet. Es ist wahrscheinlich knapp 20 Grad warm - während ihr in Deutschland wahrscheinlich die Grillkohle und Sonnencreme aus dem Schrank holen würdet, ist meine Gastfamilie drinnen und schläft, denn „hace frío“ (es ist kalt)!



Wie versprochen, seht ihr hier meine Reiseroute noch einmal grafisch dargestellt. Die Entfernungen sind zwar gar nicht so groß, doch erstens ist der Straßenzustand meist so, dass man nicht schneller als 80 Stundenkilometer fahren kann - obwohl die Kolumbianer mich da immer wieder überraschen - und zweitens ziehen sich auch noch die Andenausläufer durch das Land. So muss man andauernd Serpentinenpässe überwinden. Wie bei allen Bildern kann man auch bei der Karte auf das Bild klicken, um eine größere Ansicht zu erhalten.
Als ich mich gestern Abend gerade hingesetzt hatte, um das Neueste aus Kolumbien auf den Bildschirm zu bringen, wollte meine Gastmutter in ein Einkaufszentrum fahren. Gut, rechnet man nicht unbedingt am Sonntag um 7 Uhr abends mit, aber so etwas wie ein Ladenschlussgesetz gibt es hier nicht. Wenn der Chef müde ist - und das kann auch mittags um 12 Uhr sein, um eine Siesta zu machen - dann hat der Laden halt zu.
Ich kam also mit in der Hoffnung, für meinen Rasierer neue Klingen kaufen zu können. Gillette Fusion mit fünf Klingen sollte es ja wohl auch in Kolumbien geben. Auf meine Anfrage in Verbindung mit der alten Klinge bekam ich nur ein erstauntes „hijo de puta“ zu hören - eigentlich „Hurensohn“, hier aber mehr ein überraschter Aufschrei, denn sowas haben die hier noch gar nicht gesehen. In dem Supermarkt, in dem wir waren, ist der allerneueste Schrei ein Gillette mit 3 Klingen.
Anschließend traf ich mich noch mit Johannes, der auch mit AFS und mir nach Kolumbien gekommen ist und nach einem Familienwechsel nur zwei Minuten von mir entfernt wohnt, und schon war es nach Mitternacht und zu spät, den Blogeintrag zu verfassen. Doch da heute der Feiertag „Día de la Raza“ („Tag der Rasse“, als Erinnerung an die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus und an die Unterdrückung der Ureinwohner) ist, habe ich genug Zeit. Feiertage werden in Kolumbien immer auf den folgenden Montag verschoben, sodass es im Jahr mehr als 10 solcher „puentes“ („Brücken“, also lange Wochenenden) gibt.
Aber eigentlich sollte es ja um Geburtstage gehen, und da fangen wir gleich mal mit meinem an. Nachdem ich den Vormittag alleine am hauseigenen Pool mit frischen tropischen Früchten wie Mango, Papaya, Ananas und Maracujasaft verbracht hatte, kam nachmittags und abends die ganze Familie zu Besuch.



Zur Torte gab es Eis und wie immer Aguardiente - eine seltsame Kombination, besonders weil man den Schnaps immer pur trinkt. Ich bekam von meiner Gastfamilie zwei T-Shirts geschenkt und von meiner Nachbarin Julianna einen Liter Bier.



 Julianna hat deutsche Vorfahren und geht auf die Deutsche Schule hier in Cali, sodass sie sehr gut Deutsch spricht. Ich versuche aber trotzdem, mit ihr so viel wie möglich Spanisch zu sprechen, und das klappt auch schon ganz gut.

 

Hier bin ich mit meiner Gastfamilie zu sehen ...



... und hier mit Juan Camilo (der Freund meiner Cousine Daniela), Julianna, ich, mein älterer Gastbruder Sebastián, mein jüngerer Gastbruder Daniel, meine ältere Cousine Daniela und meine jüngere Cousine Valentina.
Am Donnerstag wurde Daniel dann 17 Jahre alt, und natürlich kam wieder die ganze Familie zu Besuch.



Von links nach rechts sind zu sehen: meine Tante Claudia, Juan Camilo, Daniela, Lady (die Schwester der Oma) und mein Gastvater Javier.
Anschließend kamen etwa 40 Freunde meines Gastbruders, und wir saßen unten vor dem Hochhaus und feierten dort. So etwas wie Nachbarn, die sich über Lärm beschweren, gibt es hier anscheinend nicht - in Deutschland wäre schon längst der Hausmeister mit Verweis auf §5 Absatz 2 des Lärmschutzgesetzes der Wohnanlage angekommen. Doch der Straßenlärm ist hier fast genauso laut wie 40 Jugendliche.
Wie ihr sehen könnt, ist in Kolumbien die Familie sehr wichtig und man trifft sich eigentlich jedes Wochenende. Zudem hat in der Großfamilie andauernd irgendein Onkel oder eine entfernte Tante Geburtstag, die alle in Cali wohnen. Mittlerweile empfinde ich die ständigen Feiern und Familientreffen als ein bisschen nervig, da besonders die älteren Frauen ganz begeistert von mir und meinem Aussehen sind und mir so von der Oma oder ihrer Schwester oder ihrer Schwippschwägerin dritten Grades oder von sonst wem durch die Haare gefahren wird und ich abgeknutscht werde. Doch da beispielsweise die Oma jedes Wochenende mindestens einen ganzen Tag bei uns zu Hause verbringt, kann man dem nicht entkommen, es sei denn, man trifft sich mit Freunden und Freundinnen.
Freundinnen zu finden ist hier deutlich einfacher als Freunde zu finden, und meine Gasteltern rätseln auch schon regelmäßig darüber, wie viele „novias“ („feste Freundinnen“) ich denn eigentlich habe neben den fünf Frauen, die beim Bäcker arbeiten und jedes Mal über das ganze Gesicht strahlen, wenn ich mit meinem Gastvater bei ihnen einkaufen gehe. Doch sobald man hier eine feste Freundin hat, gehört man mit zu ihrer Familie, wie man bei meiner Cousine Daniela und ihrem Freund Juan Camilo sieht - er ist jede Woche bei den Familientreffen dabei.
Auf noch mehr Abgeknutsche und Durch-die-Haare-wuscheln habe ich jedoch keine Lust (durch Mädchen gerne, aber bitte nicht von ihrer Familie), und außerdem möchte ich zunächst so viele Leute kennen lernen wie nur möglich. Daher möchte ich momentan noch keine feste Freundin, obwohl ich von zwei hübschen Mädchen doch recht eindeutige Angebote erhalten habe.



Von Freitag bis Samstag waren Flo (links) und Olli (rechts) aus Popayán, zwei Autostunden südlich von Cali, bei mir zu Hause. Die beiden sind mit mir und AFS nach Kolumbien gekommen und arbeiten in der 250.000-Einwohner-Stadt genau wie ich im Colegio INEM. Wir haben gemeinsam Cali besichtigt und anschließend das Schwimmbad unseres Hauses unsicher gemacht - man darf sich das jetzt nicht als Riesenbecken vorstellen, optimistisch geschätzt ist der Pool 5 mal 10 Meter groß.
Flo und Olli sind allerdings deutlich beschäftigter als ich. Ich habe noch eine Woche Ferien und, wie ich gehört habe, im November wieder eine Woche frei. Außerdem ist dann am 11. Dezember auch schon wieder Schulschluss. Kein Wunder, dass die Schüler kein Englisch können!

Auf mehrfachen Wunsch hin schreibe ich die Blogeinträge ab sofort immer am Samstag, sodass man schon am Sonntag Neues aus Kolumbien erfährt. Soweit jedenfalls der Plan, aber wie ihr ja mittlerweile wisst: "¡Colombia es pasión!"

Euer Lars

Montag, 5. Oktober 2009

Colombia es pasión. Parte Dos

Kolumbien ist Leiden(schaft). Teil Zwei

Und weiter geht's mit...

Tag 7 - Mittwoch, 23. September

Am Mittwoch ging es nach Erics Sprachkurs ins "Museo del Oro" (Goldmuseum).


Dort sind unglaublich viele Ausstellungsstücke aus Gold ausgestellt, die einmal den Ureinwohnern gehört haben und nun als Erinnerung an die Vergangenheit in Bogotá ausgestellt sind. Beim Betrachten wunderte ich mich, ob die Indios dafür wohl irgendwann einmal Entschädigungszahlungen bekommen haben - wahrscheinlich waren es damals nur noch mehr Schläge, verbunden mit der Forderung, noch mehr Gold herbeizuschaffen.


Nichtsdestotrotz ist das ganze eine tolle Ausstellung und man lernt, wie die Ureinwohner früher die unglaublich detaillierten Figuren hergestellt haben - zuerst wurden Figuren aus Wachs geformt, diese wurden dann mit Ton umschlossen und nach dem Trocknen erhitzt, um das Wachs herauslaufen zu lassen.


Daraufhin wurde die entstandene Negativ-Figur mit flüssigem Gold gefüllt und das Ganze abgekühlt, sodass nur noch der Ton entfernt werden musste und man eine Figur aus Gold erhielt. Sehr beeindruckend!


Weiterhin lernt man im "Museo del Oro" viel über die kolumbianische Geschichte vor und nach der Eroberung durch die Spanier, und man erfährt viel über die verschiedenen Regionen des Landes.



Tag 8 - Donnerstag, 24. September

Es ging von Bogotá aus nach Tunja und weiter nach Villa de Leyva.


Beides sind Kolonialstädte im Norden Bogotás, zwei bis drei Stunden mit dem Bus entfernt.


Während der sehr bequemen Fahrt vom Busbahnhof im Norden nach Tunja hielten wir plötzlich an und wurden von der Polizei kontrolliert - oder vom Militär, das genauso aussieht. Eric und ich hatten zwar unsere "Cedulas Extranjeras" dabei, also die kolumbianischen Ausweise, die uns als legal eingereiste Ausländer identifizieren, doch dies erschien unseren Kontrolleuren als nicht aussagekräftig genug. Doch glücklicherweise hatte ich zudem eine Kopie meines Reisepasses dabei und Eric einen Angestelltenausweis des Roten Kreuzes, sodass wir nach kurzem Aufenthalt weiterfahren konnten. (Die Kolumbianer wurden natürlich auch kontrolliert.)


Angekommen in Tunja ging es zum Marktplatz und dort in die "Casa del Fundador", also das Haus des Gründers der Stadt. Dort trafen wir Subin, einen Freiwilligen aus Südkorea, der dort so wie wir Entwicklungshilfe leistet und uns freudig begrüßte, da er endlich wieder einmal Englisch sprechen konnte. Sein Spanisch war nämlich ungefähr auf unserem Niveau. Also führten er und ein Mitarbeiter der "Policía de Turismo", ein Touristenpolizist, uns in dem Haus herum und zeigten uns unter anderem die fantastischen Wandmalereien.


Nach einem Mittagessen mit Subin machten wir uns mit einem kleineren und auch weniger bequemen Bus auf den Weg nach Villa de Leyva, eine Kleinstadt, in der das Ambiente einer Kolonialstadt originalgetreu erhalten geblieben ist.


Dort wollten wir eine Stadtbesichtigung machen mit Fahrzeugen, die sowohl Golfwagen als auch Quads, also vierrädrigen Motorrädern, ähnelten, doch leider waren diese kaputt. So machten wir uns zu Fuß auf die Socken zum Marktplatz und durch die engen Straßen, die allesamt noch mit Kopfsteinbelag gepflastert sind.


Auf dem scheinbar riesigen, weil leeren Marktplatz fühlt man fast, wie sich hier die indianischen und afrikanischen Sklaven für die Spanier abgerackert haben!


Und nun kommen wir zur wilden Busfahrt, die ich angekündigt hatte. Wir saßen in einem Mercedes-Kleinbus und unser Fahrer schien ein enger Verwandter vom kolumbianischen Rennfahrer Juan Pablo Montoya zu sein. Das Ruckeln in den folgendes Videos zeigt übrigens den Straßenzustand in Kolumbien. Wie immer gilt: Ton aufdrehen, die Kommentare sind es wert.



Wie man sieht, ging es in einem atemberaubenden Tempo durch die ebensolche Landschaft und so wurde beispielsweise auf einem kurzen, nicht asphaltiertem Stück Straße von etwa zwanzig Metern extra Vollgas gegeben, um ein Taxi zu überholen. Nach einem Stopp wollte dieses Taxi wieder überholen, was geschah, zeigt das folgende Video.



Überholen ist nicht - für Taxis! Für uns schon.



Von Tunja aus ging es abends mit dem Bus zurück nach Bogotá, wobei wir mit den "101 Mejores Chistes del Siglo" (den 101 besten Sketchen des Jahrhunderts) malträtiert wurden. Ja, malträtiert. Gefoltert mit ohrenbetäubender Lautstärke - da halfen selbst Kopfhörer und Musik auf der höchsten Stufe nicht. Die Kolumbianer haben sich jedenfalls prächtig amüsiert, wir haben jedoch nichts verstanden und waren nur einmal enthusiastisch dabei - als es vorbei war. Hoffentlich haben sich die Kolumbianer dadurch von "den beiden Weißen" nicht angegriffen gefühlt, aber das war uns in dem Moment auch egal.



Auf dem Rückweg sahen wir dann die Kehrseite der schnellen und kompromisslosen Fahrweise - ein Reisebus lag auf der Seite und Verletzte wurden von der Polizei und vom Roten Kreuz versorgt. Ich hoffe, dass niemand ernsthaft verletzt war und dass mir so etwas nie passiert, doch beeinflussen kann man es hier nicht. Vielleicht hört ihr euch noch einmal den Kommentar des vorletzten Videos an ("Bus Überholmanöver", 0:51).

Tag 9 - Freitag, 25. September

Ab in den Süden! So hieß es für uns am Freitag, denn wir wollten Julian, einen anderen Freund, am Wochenende in Girardot besuchen. Er arbeitet dort auf einer Farm, wie man sieht, und bestellt dort das Feld, das letztes Jahr neu angelegt wurde.


Zuerst mussten wir jedoch durch den Süden von Bogotá, wo die Armen leben.


Diese "Häuser" sind sogenannte "invasiones" - wohnen möchte man da nicht.



Der südliche ZOB von Bogotá schien besser organisiert als der im Norden, und obwohl unser Bus nicht so viel Beinfreiheit hatte wie der nach Tunja, war er recht leer und damit ließ sich doch ganz gut leben. Dachten wir jedenfalls, bis an der Straße immer mehr und mehr Leute zustiegen und das Ganze sich anfühlte wie ein Viehtransport. Was lernt man daraus? Immer fragen, ob es verschiedene Busse gibt, und immer den teuersten nehmen, die paar Tausend Pesos sollte einem der Komfort dann doch wert sein - besonders mit deutscher Körpergröße!


So sah es aus auf der Fahrt von Bogotá nach Girardot - übrigens sah man alle zehn Minuten einen jungen Kolumbianer, oft sogar noch mit Zahnspange, für das Militär mit einer Maschinenpistole herumstehen und seinen Wehrdienst verrichten. Ob das die Guerillas tatsächlich abschreckt?


Girardot liegt mit einer Höhe von 290 Metern 2400 Meter unter dem Level von Bogotá, was man auch in Form von unerträglicher Hitze deutlich spürt. Außerdem gibt es unglaublich viele Mücken. In Julians Haus wohnen neben ihm und seiner Gastmutter sein 30-jähriger, geschätzt 150 Kilo schwerer Gastbruder, das Hausmädchen und zwei Papageien.


Diese fingen am...

Tag 10 - Samstag, 26. September

... um sechs Uhr morgens an zu kreischen und zu reden - "¿Tiene cacao? ¿Tiene papaya?" ("Haben Sie Kakao? Haben Sie Papaya?") - was uns wegen der Uhrzeit eher nervte als faszinierte. Um 10 Uhr ging es dann bei 40 Grad Celsius mit vielen Getränken und sonstigen wichtigen Gegenständen wie Sonnencreme bewaffnet in den nahe gelegenen Freizeitpark "Piscilago" ("Piscina" bedeutet Schwimmbad, "Lago" See), der sinnvollerweise fast nur aus Rutschen und Schwimmbädern besteht! Ein toller Tag, mit dem man die Hitze gut verkraften konnte.

Tag 11 - Sonntag, 27. September

Bereits am Samstag hatte ich mich informiert, wie man am Sonntag mit dem Bus nach Cali fahren könnte. Es gab jedoch nur einen Direktbus um halb acht morgens, woraufhin ich mich entschloss, am Sonntagmittag mit einem Bus zwei Stunden in die nächstgrößere Stadt Ibagué zu fahren und dort nach einem Bus nach Cali zu suchen. Der Bus nach Ibagué ähnelte dem nach Girardot, nur mit dem Unterschied, dass er tatsächlich fast leer war. Die Fahrt dauerte dennoch ewig und drei Tage, denn in jedem kleinen Dorf hielt der Bus für fünf Minuten und gab so den mobilen Verkäufern die Chance, uns Fahrgästen Essen und Trinken anzudrehen.


So wollte eine Frau mir beispielsweise eine ganze reife Mango für ca. 50 Cent verkaufen. Klingt super - aber was, bitte schön, will ich im Bus mit einer Mango, wenn ich noch eine lange Fahrt vor mir habe? Also verzichtete ich dankend und kaufte mir dann in Ibagué zwei Brötchen - nein, Brötchen kann man das nicht nennen, so etwas gibt es hier nicht. Sagen wir lieber Teigwaren in Brötchenformat, das kommt der Sache schon näher. Dann kaufte ich mir noch ein Busticket nach Cali in einem bequemen Bus - sechs Stunden Fahrt für etwa 10 Euro, reisen ist hier echt günstig - und 10 Minuten später ging es auch schon weiter, über den mehr als 3000 Meter hohen Serpentinenpass "La Línea".


In Cali kam ich um acht Uhr abends an - und ich hoffe, euch hat mein multimediales Feuerwerk gefallen. Es war auf jeden Fall eine tolle Reise! Im Dezember werde ich mit AFS an den Amazonas reisen sowie mit Freunden an die Karibik

Für den nächsten Beitrag werde ich eine Karte meiner Reise gestaltet haben, sodass ihr einen besseren Überblick habt. Außerdem wird es um meinen Geburtstag - und Geburtstage im Allgemeinen hier in Kolumbien - gehen.

Euer Lars