Sonntag, 25. April 2010

Navidad, Año Nuevo, y entre medias. Parte Uno

Weihnachten, Neujahr und zwischendurch. Teil Eins

Besser spät als nie! Das war mein Gedanke, als mir aufgefallen ist, dass ich ja noch gar nichts über Weihnachten und Neujahr geschrieben habe. Und, noch viel wichtiger, über das Zwischendrin.
Nach meiner Rückkehr aus der Karibik blieben nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Zum Glück hatte ich schon alle Geschenke besorgt und konnte mich so ganz entspannt in Weihnachtsstimmung bringen. Doch bei 30 Grad und Sonne fiel es mir schwer, das Fest freudig zu erwarten. Es ist ein ganz klarer kultureller Unterschied, dass Weihnachten für uns Deutsche gleichzeitig auch Schnee, Eis und kalt bedeutet.


Zur Weihnachtszeit wird in Cali seit vielen Jahrzehnten der Fluss „Río Cali“ (Cali-Fluss) geschmückt und abends beleuchtet.


Dieses so genannte „alumbrado“ (wörtlich: das Beleuchtete) besteht daher aus vielen Figuren, die mit Lichterketten bestückt über den Fluss gespannt werden. Viele der 2,5 Millionen „caleños“ (Einwohner von Cali) besuchen das „alumbrado“ mit Freunden und Familie - so auch ich.


Das Motto von Cali ist „un nuevo latir“, was in etwa „ein neuer Puls“ bedeutet.


Und das ist nicht nur bloßes Marketing-Blabla wie ein Koalitionsvertrag in Deutschland, der noch nicht einmal das Papier wert ist, auf dem er gedruckt ist. Nein, man kann in Cali den Fortschritt tatsächlich sehen. Das beste Beispiel ist das MIO-Bussystem, das noch in den Kinderschuhen steckte und zehn Linien hatte, als ich ankam. Mittlerweile sind es über dreißig und es kommen monatlich neue Linien dazu.
Die Veränderung, die Bewegung, der Fortschritt - alles ist spürbar! Das ist ein Gefühl, das ich so aus Deutschland nicht kenne. Wenn ich wiederkomme, wird der Bus im Garstedter Weg immer noch alle zwanzig Minuten fahren, die U-Bahn alle fünf Minuten, der REWE in Niendorf Nord hat bis 22 Uhr auf, und Brötchen hole ich bei Kolls.
Wenn ein „caleño“ nach einem Jahr Abwesenheit wiederkäme, so fände er plötzlich vor seiner Haustür eine neue Bushaltestelle vor, die Straße wäre frisch geteert ohne Schlaglöcher und nebenan stünde plötzlich ein Supermarkt. Dagegen ist Deutschland einfach nur langweilig. Und genau deshalb verbringen Kolumbianer ihren Urlaub zu Hause oder entspannen einfach mal nur, während meine Eltern in ihrem Jahresurlaub Kolumbien erkunden werden.
Wir Deutsche suchen das Abenteuer, das uns der entwickelte Staat nicht geben kann. Alles ist immer gleich - das gibt Planungssicherheit, aber ermüdet. Im Gegensatz dazu hat der durchschnittliche Kolumbianer genug Abwechslung und Abenteuer täglich - von mir auch als „Passion“ bezeichnet. Wenn ich heute nicht weiß, ob der Bus morgen pünktlich fährt, ich übermorgen arbeiten muss oder in der Schule gerade die Mücken ausgeräuchert werden - ein aktuelles, reales Beispiel - oder nächste Woche meine Straße nicht plötzlich eine Einbahnstraße geworden ist, dann will ich in meinen jämmerlichen zwei Wochen Jahresurlaub keine Aufregung, keine Überraschung, kein Abenteuer. Ich will Ruhe und Eintönigkeit.


Doch wie gesagt, nur im Urlaub. Zu Weihnachten sieht das Ganze doch etwas anders aus. Heiligabend? Stille Nacht? Weit gefehlt - im katholisch geprägten Kolumbien wird die Geburt von Jesus gefeiert, im wahrsten Sinne des Wortes. Und feiern können sie, die Kolumbianer. Das bedeutet im Klartext: die Einkaufszentren sind bis 22 Uhr geöffnet, die Bars bis zwei Uhr morgens, und die Bescherung unter dem Plastiktannenbaum dauert nur kurz. Schließlich will man danach ja noch zur „rumba“ (Party, Feier) gehen!


Der besagte Plastiktannenbaum, mit Cousine Valentina und Gastvater Javier, ...


... und eine etwa 10 Quadratmeter große Adventsstadt im Haus meiner Gasttante, mit meiner Gastmutter María Nelly und mir. Zum Glück feierten wir Weihnachten bei meiner Gasttante. So blieb der ganze Kitsch bei uns aus dem Haus.


Um 24 Uhr sieht man in Deutschland wahrscheinlich keine Menschenseele auf der Straße. In Kolumbien dagegen sind die Bars voll mit Menschen, vergleichbar mit einem normalen Freitagabend. Dazu verglichen Deutschland:


Schließlich begann am Tag darauf auch die "Feria de Cali". Vergleichbar mit dem Karneval von Río de Janeiro geht in Cali jedes Jahr vom 25. bis zum 30. Dezember die Post ab - und davon möchte ich euch einen kleinen Einblick zeigen. Neben dem Motto "un nuevo latir" gab es noch zahlreiche andere Sprüche wie "Cali, donde vivir es hermoso" ("Cali, wo das Leben wunderschön ist"), "Cali, donde nadie es extraño" ("Cali, wo niemand fremd ist") oder "Dale, dale, Cali, no pares!" ("Schnell, schnell, Cali, bleib nicht stehen!") Vielleicht findet ihr in den folgenden Bildern und Videos einige Beispiele.


Besonders dieses "dale, dale" ("schnell, schnell") findet man überall in Kolumbien, was verglichen mit der doch eher ruhigen Lebensart der Kolumbianer wie eine Karikatur wirkt. Auch in der Schule fehlt auf keinem Plakat ein "dale" oder auf Englisch ein "hurry up", selbst wenn die betreffende Veranstaltung erst in zwei Monaten stattfindet. Das erinnert mich derweilen an die Futuristen, über die wir im Philosophieunterricht gesprochen haben. Aber wie gesagt, das ist eher eine Karikatur des Lebensstils und daher braucht man sich, so glaube ich, vorerst keine Sorgen um eine Radikalisierung des Fortschritts wie im Futurismus machen.


Das „Salsódromo“ war die erste Parade der Feria, benannt nach dem Tanz Salsa.


Gemeinsam mit meinen Gasteltern nahm ich auf der VIP-Tribüne Platz, wo sich neben uns noch weitere wichtige Persönlichkeiten der örtlichen Politik und Wirtschaft niederließen. Doch das hieß nicht, dass das Ganze eine langweilige Angelegenheit werden sollte, im Gegenteil: es wurde gefeiert, gejubelt und getrunken!


Natürlich durften auch die örtlichen B-Promis nicht fehlen: links die einzige kolumbianische Siegerin beim Schönheitswettbewerb "Miss Universum“ im Jahre neunzehnhundertschießmichtot (Wikipedia hilft weiter: Luz Marina Zuluaga, geboren 1938, Siegerin im Jahre 1958 - ich gebe zu, sie hat sich gut gehalten) und rechts eine kolumbianische Ex-Boxweltmeisterin (da hilft auch Wikipedia nicht mehr weiter).


Hier ein Blick über die Calle 10. Während ich das Straßennetz in Cali erkläre, sind ein paar Bilder vom „Salsódromo“ zu sehen. Die Orientierung ist in Cali nicht ganz einfach, obgleich man durch das Calle/Carrera-System eigentlich keine Probleme haben sollte - „Calle“ bedeutet eine Straße von Norden nach Süden, „Carrera“ eine Straße von Osten nach Westen.


Cali ist jedoch nicht wirklich schachbrettförmig aufgebaut, sodass manchmal Carreras parallel zu Calles verlaufen, so zum Beispiel die Carrera 37 und die Calle 5. Außerdem gibt es noch „Diagonales“ und „Transversales“, und schließlich wird eine Carrera auf der nordwestlichen Seite des "Río Cali" zu einer „Avenida“.


Das heißt jedoch nicht, dass es auf der anderen Seite keine Avenidas gäbe - so heißt zum Beispiel die Calle 6 „Avenida Roosevelt“ und ist auch nur als solche bekannt. Die Calle 13 heißt „Avenida Pasoancho“ und die eben gezeigte Calle 10 geht in die Carrera 26 über und heißt „Autopista Suroriental“ („Südöstliche Autobahn“). Die Calle 70 zweigt von der Calle 25 ab und heißt dann „Autopista Simón Bolívar“, während die Calle 73 „Avenida Ciudad de Cali“ genannt wird.


Ach, drei Straßen nur zwischen der Calle 70 und 73, denke ich mir und steige ich den Bus, der über diesen kleinen Umweg zu meinem Ziel fahren soll. Was der Busfahrer nicht sagte, war, dass er an der nächsten Ampel rechts ins Ghetto abbiegen würde, wo selbst meine Gasteltern noch nie waren. Denn Calle 70 und 73 bedeutet nicht, dass die Straßen nur drei Blöcke voneinander entfernt sind - schließlich gibt es dazwischen noch die Straßen 71, 71A, 71A1, 71A2, 71B, ... bis hin zur 72Y. Genug verwirrt?


Nein, denn nun kommt noch der Trick dazu, dass der Einfachheit halber oft Calle, Carrera und Avenida einfach weggelassen werden. So wohne ich beispielsweise an der Calle 5, die als „la quinta“ („die Fünfte“) bekannt ist. „La sexta“, also „die Sechste“, ist jedoch ganz und gar nicht nah, denn hier ist die Avenida 6 gemeint. „La primera“ („Die Erste“) hingegen ist ganz klar die Carrera 1, und mit „la 70“ ist wieder die Calle 70, also die „Simón Bolívar“ gemeint. Und „La 14“ ist ein Supermarkt. Wer jetzt noch mag, der schaut sich einfach mal das Straßennetz von Cali an.


Selbst die Kinder tanzen schon ...


... zur allgegenwärtigen Salsa, wie man hier auch hören kann.



Und so sieht es aus, wenn man dazu tanzen kann ...



... oder so!



Beeindruckend, oder?


Das Ganze war eine riesige Party und leider nach fünf Stunden schon vorbei.


Am nächsten Tag der Feria fand dann die „Cabalgata“ („caballo“ bedeutet Pferd) statt, wo die Pferdebesitzer aus Cali und Umgebung ...


... durch die Stadt reiten und sich bejubeln lassen darf - eine Pferdeparade quasi.


Neben der Polizei ...


... und dem Militär ...


... waren auch viele Einwohner Calis unterwegs.


Leider war das Ganze eher langatmig und zäh, sodass wir - hier meine Cousine Valentina und der Freund ihrer Schwester, Juan Camilo, sowie im Hintergrund meine Gastfamilie - nicht lange auf der Tribüne blieben.

Nächste Woche gibt es mehr von der Feria und einen Bericht zu Silvester, das wie Weihnachten durchaus anders als in Deutschland ist.

Bis dahin, euer Lars

Dienstag, 13. April 2010

¡Tan lindo que es Panamá!

Oh, wie schön ist Panama!

Arbeitet der Junge eigentlich auch einmal? Das mögt ihr euch bestimmt fragen, nachdem es der Überschrift nach wieder einmal auf Reisen ging. Doch da in der Schule wieder einmal die Stundenpläne geändert wurden und so das ganz normale Chaos noch übertroffen wurde, war ich dann mal wieder weg - und zwar in den hohen Norden Kolumbiens nach Capurganá, an die Grenze zu Panama. Mit auf der Reise war Jana aus Hamburg, die ich durch meine Blogeinträge überzeugen konnte, mich in ihren zwei Wochen Frühjahrsferien hier in Kolumbien zu besuchen. Die Reiseroute seht ihr hier.


6. März 2010: Cali/Hamburg - Bogotá - Medellín - Apartadó - Turbo
7. März 2010: Turbo - Capurganá
12. März 2010: Capurganá - Turbo - Apartadó - Medellín
13. März 2010: Medellín - Turbo

Das Ganze war, wir ihr sehen könnt, schon vor einem Monat. Entführt worden? Vom Faultier gebissen? Oder doch einfach nur ganz viel Passion? Nein, im Endeffekt war mein Computer daran schuld, der plötzlich nur noch Streifen angezeigt hat. Nach einer Reparatur für 120.000 Pesos, etwa 45 Euro, bin ich wieder online und froh, euch den neuesten Blogeintrag präsentieren zu können!

Tag 1 - Samstag, 6. März 2010

Nach einer langen Nacht des Packens - es durften nur 15 Kilo sein - überhöre ich einfach mal meinen Wecker. Um 5.30 Uhr kommt mein Gastvater rein und fragt mich, ob ich nicht schon vor einer halben Stunde hätte aufstehen wollen. Ja, stimmt. Ich fasel irgendwas von wegen "passt schon" und bin natürlich hellwach, da in zwei Stunden das Flugzeug geht. Also schnell gefrühstückt und ein Taxi bestellt. Das bringt mich zum Terminal, wo ich einen Bus zum Flughafen nehme. Das dauert insgesamt zwar eine knappe Stunde, ist dafür aber mit etwa 12.000 Pesos, knapp 5 Euro, deutlich billiger als die direkte Fahrt mit dem Taxi - 30 Minuten für 50.000 Pesos, also 20 Euro. Pünktlich geht es mit Aires von Cali nach Bogotá. Dort wartet Jana schon seit 5 Uhr morgens auf mich - den Flugplänen von Continental Airlines sei dank.
Treffpunkt war ganz international der McDonald's im Flughafen, den ich ja schon kannte - und Jana hatte immerhin dreieinhalb Stunden Zeit, ihn zu finden. Das Wiedersehen wurde ganz typisch mit dem kolumbianischen Exportgut Nummer 2 gefeiert - K... nee, was denkt ihr denn schon wieder?


Kaffee - natürlich bei Juan Valdez, dem kolumbianischen Starbucks. Nur irgendwie viel besser. War übrigens so lecker, wie es aussieht!

Knappe drei Stunden später ging es weiter von Bogotá nach Medellín oder, besser gesagt, nach Rionegro, eine Stunde weg von Medellín. Die Stadt selber liegt nämlich in einem engen Talkessel und der dortige Flughafen ist viel zu klein geworden, sodass man einen neuen weit weg gebaut hat. Wir kommen also in Medellín-Rionegro an - vergleichbar mit Hamburg-Lübeck oder Frankfurt-Hahn - und bekommen einen kurzen Einblick in die kolumbianische Arbeitssicherheit. So 'ne Schutzbrille beim Schweißen wird ja auch irgendwie überbewertet.


Preisfrage: Was zeigt das folgende Bild? (Man beachte den Rollstuhl.)

 

Krankenhaus? Altenheim? Nein, es ist ...


... ein Flughafen!

Ihr seht, der Stadtflughafen ist wirklich zu klein geworden. Dort sollte unsere Propellermaschine starten, doch als wir ankamen, war die Abflugzeit noch nicht bekannt, geschweige denn, ob der Flug überhaupt heute stattfinden würde. Das für mich ganz normale Maß an Passion an diesem Tag war für Jana doch schon ein recht heftiger Kulturschock und erst Cola und Blätterteiggebäck von der Fluggesellschaft konnten sie etwas entspannter stimmen. Ich erwartete schon ganz entspannt eine Nacht in einem 5-Sterne-Hotel wie nach der Reise an den Amazonas - Billigfluggesellschaft heißt hier auch etwas anderes - doch umso mehr freute ich mich, als irgendwann eine Abflugzeit genannt wurde.


Mit diesem Flugzeugchen, das drinnen echt übel roch, ging es also nach Apartadó. Dort war es schon dunkel, als wir ankamen und der Trecker unser Gepäck abholte.


Mit einem unguten Gefühl stand ich bei der Gepäckausgabe, denn wir mussten noch eine halbe Stunde weiter nach Turbo. Die Fahrt sollte durch den Regenwald gehen und in einer von Paramilitärs regierten Region entspricht es sicher nicht den Vorstellungen von AFS, dass man da nachts alleine mit einem Taxi durchfährt.  Meinen übrigens auch nicht.
Ich fragte also ein bisschen herum, da der letzte Bus schon längst weg war, und hatte Glück, dass ein Doktor aus Apartadó mich hörte. Er musste sowieso nach Turbo und nahm Jana und mich mit. Das uns empfohlene Hotel war natürlich schon voll und so tappten wir um 21 Uhr mit unserem Gepäck durch diese potthässliche Stadt, um ein Zimmer zu finden. Doch schon nach fünf Minuten waren wir erfolgreich.


Man beachte die äußerst intelligente Anordnung dieses Duschvorhangs - die Dusche war rechts hinter dem Wandansatz.


Glücklich, endlich mehr oder weniger in Sicherheit zu sein, gingen wir auch schnell schlafen.

Tag 2 - Sonntag, 7. März 2010

Wir gingen in aller Frühe zur Mole, um unsere Bootstickets nach Capurganá kaufen. Bei unserer Rückkehr zehn Minuten später wurden wir vom Fernseher überrascht, der plötzlich an war. Glücklicherweise waren noch alle Wertsachen da, sodass ich auf eine Aufwachfunktion des Fernsehers tippte - nichtsdestotrotz wollten wir nichts wie weg aus Turbo!  Ein seltsamer Ort, der einem ein konstantes Unsicherheitsgefühl gibt.


Wir verpackten unsere Rucksäcke also gut für die Bootsfahrt ...


... und bewunderten die örtliche Organisation und Architektur.


Diese Brücke schlägt diese Woche alle Gegenkandidaten und gewinnt die ...


Im Hafenbecken schwammen die Pelikane neben dem Müll, den die Hüttenbewohner mangels eines Müllentsorgungssystems ins Meer entsorgen.


Wir fuhren also mit einer 25-sitzigen "lancha" (Motorboot) durch den Golf von Urabá, um nach Capurganá zu gelangen. Das war zumindest der Plan, bis uns an der Hafenausfahrt die Wasserschutzpolizei stoppte und uns wegen zu hoher Wellen die Ausfahrt verbot. Noch ein Tag in Turbo?
Doch nach einer freundlichen Spende des Kapitäns an die örtliche Polizei ging es weiter, hinaus auf das offene Meer, das zunächst nicht besonders wellig war, sodass Jana und ich in der zweiten Reihe unseren Spaß hatten. Doch wie nach einer Stunde Achterbahn wich die Euphorie irgendwann den Schmerzen, da die Wellen im Sekundentakt BAMM! BAMM! BAMM! gegen den Kiel knallten. Der Kapitän hatte von materialschonenden Fahrweise offensichtlich noch nie etwas gehört - oder es war nicht sein Boot - und so ging es BAMM! BAMM! BAMM! noch eine Stunde weiter, bis wir dieses malerische Fischerdörfchen erreichten.


Sollte das Capurganá sein?


Nö, schön wär's. Es ging also noch mal "cinco minuticos" (fünf Minütchen) weiter, aus denen dann irgendwie doch eine knappe Stunde wurde.


Wir fuhren an mehreren solcher Inseln vorbei, während der Komfort BAMM! BAMM! BAMM! wie gewohnt blieb, sodass wir nach mehreren Zwischenstopps in irgendwelchen Dörfern mit einer gefühlten schweren Gehirnerschütterung unendlich erleichtert Capurganá erreichten. Jana meinte, es sei das Schlimmste gewesen, was sie je erlebt hätte, und dass sie nie wieder in dieses Boot steigen würde. Naja, mal gucken ...
Ich hatte über einen Freund die Nummer von Joseph, einem ausgewanderten US-Amerikaner aus Hawaii, bekommen und vorab ein Zimmer bei ihm reserviert. Daher holte er uns von der Mole ab und brachte uns mit seinem Pferdewagen zu seinem kleinen, aber feinen Hotel.


Und bei Joseph war es schöner, als Jana und ich es uns je hätten träumen lassen!


Seine Hütte mit vier Zimmern war mitten im Regenwald und doch nur fünf Minuten vom Stand entfernt, und ausgestattet mit zwei unglaublich wichtigen Dingen: Mückennetz über dem Bett - und Hängematten! Das folgende Video zeigt euch die Umgebung und führt euch durch unser Zimmer.


Neben allerlei Geviech, das im Regenwald nun mal so rumkrabbelt, ...


... lebten auch Frösche dort, die jede Nacht wieder Star Wars nachzuspielen schienen. Beim folgenden Video - gut, es ist eigentlich nur eine Tonaufnahme mit einem Bild - solltet ihr Kopfhörer an den Computer anschließen, damit ihr die seltsamen Geräusche hören könnt, die die Kröten in Kolumbien von sich geben!


Das Wohnen mitten in dieser üppigen und so unglaublich vielfäligen Natur ist etwas, das es in dieser Form in Europa nicht gibt.


Tage 3 bis 6 - Montag, 8. März bis Donnerstag, 11. März 2010

Am Sonntag und Montag regnete es erstmal den ganzen Tag lang, obwohl es eigentlich Trockenzeit hätte sein sollte. Aber so ist das nun einmal im Regenwald. Doch am Dienstag gingen wir das Dorf erkunden und fanden einen knapp zwanzig Meter langen, privaten Strand.


Dort ging ich dann erstmal die Unterwasserwelt erkunden.


Vorbei an Palmen, die geradezu zu Fotos einladen, ...


... und farbenfrohen Strandhäusern im schwedischen Stil ...


... ging es zur Felsküste, wo eine steife Brise wehte.


Dadurch war das Meer ziemlich aufgewühlt, sodass man nicht wirklich von karibischer Umgebung reden konnte - jedenfalls nicht die, die man sich in Deutschland so vorstellt.


Aber das tat unserer Urlaubsstimmung keinen Abbruch, schließlich hatte Joseph auch ein Schwimmbad bei seinem Hotel. Mal wieder typisch, denkt der eine oder andere Leser jetzt sicher, nun ist der Bengel mal am Meer und geht in den Pool. Mir doch egal - unseren Spaß hatten wir ja schließlich, wie man sieht.


Am nächsten Tag ging es dann zu Fuß nach Panama. Zunächst marschierten wir etwa anderthalb Stunden über den Berg nach Sapzurro, dem kolumbianischen Grenzort.


Da der Boden noch matschig war, sahen wir am Ende auch dementsprechend aus. Aber das ist das Gute am Urwald - das Aussehen ist so ziemlich das Unwichtigste, was es gibt.


In Sapzurro ging es vorbei an Plantagen, auf denen "plátanos" (Kochbananen) angebaut werden.


Das Dorf bestand zudem aus malerischen Stränden ...


... und einem idyllischen Fischerhäfchen.


Dann noch knapp 200 Stufen hochstapfen und endlich hieß es:


"Willkommen in Panama"


Dort unten lag "La Miel" (Der Honig), die panamaische Grenzstadt. Die Zöllner guckten sich nur kurz unsere Pässe an und notierten sich die Nummern, bevor wir die 200 Stufen auf der anderen Seite herunterstiegen. Nach einer weiteren Viertelstunde waren wir endlich am Ziel und fanden den weißen Strand, für den wir gekommen waren!


Auf dem Weg liefen wir an einer Kokosnusspalme vorbei und holten uns eine Frucht vom Baum. Die örtlichen Polizisten öffneten sie uns mit einer Machete - und wir genossen das frische Kokoswasser. Der Strand war fast komplett leer und wir genossen die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlte.


Wir kauften uns noch für 5000 Pesos, etwa 2 Euro, einen "Coco Loco", also quasi eine "verrückte Kokosnuss". Das ist Kokoswasser gemischt mit Rum und Kokosmilch, und dazu gibt's dann natürlich auch noch das Kokosfleisch. Kokosnüsse werden hier in Kolumbien nicht wie in Deutschland zerkloppt, sondern das Holz wird mit einer Machete abgeschlagen und man hat dann eine ganze Kokosnuss, nur ohne Schale. Auf jeden Fall scheint es Jana zu schmecken.


Nachdem wir ein paar Stunden am Strand gelegen und geschwommen hatten, fragte ich, wann denn das Boot nach Capurganá führe - es sollte nämlich eins geben. Das war dann aber irgendwie doch nicht der Fall und so entschieden Jana und ich uns, wieder nach Sapzurro zurückzugehen, da dort Boote nach Capurganá fahren sollten.


Dieser Blick auf Sapzurro belohnte uns für den schwierigen Anstieg aus Panama aus. Als wir an der Mole ankamen, legte gerade ein Boot ab. Es stellte sich heraus, dass es das letzte nach Capurganá sein sollte, und so lief ich hinterher und rief "Esperen, por favor!" (Warten Sie bitte!). Der Kapitän entschloss sich auf Grund der Tatsache, dass zwei Weiße sein recht spärliches Einkommen gut aufstocken könnten, dazu, noch einmal anzulegen, und so waren wir nach einer entspannten Fahrt auch schon eine Viertelstunde später wieder in Capurganá. Glück muss man halt auch haben!
Tags darauf ging es zum Wasserfall "el cielo" (der Himmel). Der Weg führte an einem weiterem architektonischen Meisterstück vorbei, ...


... bevor wir zu den "puertas del cielo" (Himmelspforten) kamen.


Ein paar Minuten später waren wir auch schon an den Wasserfällen, wo neben uns noch eine fünfköpfige Gruppe war. Den Eintritt von 3000 Pesos pro Person, also 1,20 Euro, sparten wir uns versehentlich, da ich nur einen 50.000 Pesos-Schein mitgenommen hatte und den keiner wechseln konnte.
Vom Wert her sind 20 Euro doch etwas ganz anderes in Kolumbien. Auch in Cali kann ich mit 50.000 Pesos-Scheinen aus dem Geldautomaten nicht viel anfangen, sodass ich meistens damit an der Busstation ganz gezielt eine Fahrt für 1500 Pesos, also 60 Cent, kaufe. Die haben nämlich Wechselgeld.


Kurze Zeit später hatten wir den Wasserfall für uns alleine und konnten ein paar Fotos machen.


Abends packten wir dann unsere Sachen, denn am nächsten Tag wollten wir mit dem Boot zurück nach Turbo fahren - ich habe Jana schließlich doch noch überzeugt. Im Rückblick war es wohl der schönste Urlaubsort, den ich jemals kennengelernt habe. Besonders Joseph und seine Kochkünste trugen dazu in nicht unerheblichem Maße bei - seien es Omelettes, Fisch oder Hühnchen, es war einfach superlecker! Er kannte nämlich im Gegensatz zu den Kolumbianern auch andere Gewürze außer Koriander, an das ich mich hier wohl oder übel gewöhnt habe, da es in jeder Suppe drin ist. Die Lage seines Hotels war natürlich auch optimal  - mitten in der Natur, wie das folgende Video zeigt.


Tag 7 - Freitag, 12. März 2010

Nachdem die Uhr meines Handys wegen Passion mittlerweile eine Viertelstunde zu spät ging, wurde es morgens doch noch etwas hektisch. Joseph brachte uns auf seinem Pferdekarren zum Hafen und diesmal waren wir nicht so dämlich, uns nach vorne zu setzen. Das war aber eigentlich auch egal, denn das Meer war spiegelglatt und wir reisten sicher und entspannt, bis wir in Turbo eintrafen. Vorbei an zwanzig Männern, die uns in irgendwelche Busse nach Medellín oder Cartagena holen wollten, suchten wir den Bus nach Apartadó. Dort kamen wir dann auch um elf Uhr morgens an, sodass wir bis zum Abflug noch sechs Stunde Zeit totschlagen mussten. Natürlich hat man den Zeitpuffer genau dann, wenn man ihn nicht braucht...
Wir aßen also für 5000 Pesos, zwei Euro, pro Person ein riesiges Mittagessen mit Reis, Hühnchen, Salat und Getränk, bis wir dann um 14.45 Uhr den Bus zum Flughafen nahmen. Es war ein offizieller Bus, doch Jana und ich waren die einzigen beiden Passagiere. Als der Busfahrer zwei Männern auf der Straße irgendetwas zurief und die beiden daraufhin zu uns in den Bus stiegen, war alle Entspannung und Sicherheit wie weggeblasen. Dass einer der Männer ein Messer dabei hatte, ließ unseren Adrenalinspiegel noch weiter ansteigen. So verschanzten wir uns in der letzten Reihe, bereit dazu, die uns zur Verfügung stehenden Waffen Pfefferspray und Teleskopschlagstock einzusetzen, falls dies nötig sein sollte. Schließlich wussten wir von der Hinfahrt, dass es wieder durch den Regenwald gehen würde.
Doch alle Angst war umsonst und wir atmeten auf, als die Männer nach fünfzehn Minuten ausstiegen. Kurze Zeit später kamen wir am Flughafen an und erfuhren, dass unser Flug verspätet sei und noch nicht sicher sei, wann es denn losginge... kennen wir das nicht schon?


Wir bewunderten also die kolumbianischen Englischfähigkeiten - der Schreiber könnte glatt einer meiner Schüler sein - und hörten Stenkelfeld, bis uns ein Student namens Carlos ansprach, ob wir Deutsche seien. Carlos war an der Deutschen Schule in Medellín zur Schule gegangen und auch ein halbes Jahr in Deutschland gelebt. So verbrachten wir die restliche Wartezeit mit ihm - und mit seinem Laptop mit Internet! - und als der Flug dann endlich nur eine Stunde verspätet aufgerufen wurde, waren wir guter Laune.
Die sollte sich aber bald schon wieder verabschieden, denn unser Flug wurde vom Stadtflughafen nach Rionegro umgeleitet. Der Stadtflughafen schließt nämlich um 18 Uhr abends. Somit fuhren wir nochmal eine Stunde mit dem Bus und kamen schließlich statt um 17.30 Uhr um 20 Uhr in Medellín an. Ein ganz typisches Beispiel von Passion.
Wir fuhren also mit einem Taxi zu unserem vorher reservierten Hotel, wo wir kurz unsere Sachen abluden, und dann mit dem gleichen Taxi weiter zu einem Einkaufszentrum, um noch etwas zu essen. Meine Wahl fiel auf "El Corral" (Der Hof), eine Schnellimbisskette, bei der die Hamburger nach meinem Geschmack unter den besten der Welt sind.
Jana schlug mich und aß neben ihren Pommes und ihrem "Todo Terreno" (All-Terrain) mit 250 Gramm Fleisch auch noch meine Pommes, während ich noch mit meinem "Todo Terreno" und meinem Milchshake kämpfte. So kamen wir um 22 Uhr zurück ins Hotel und waren so müde und satt, dass wir beide noch angezogen auf den Betten einschliefen.

Tag 8 - Samstag, 13. März 2010

Nachdem ich morgens eher zufällig aufwachte und Jana weckte, wollte ich ihr natürlich noch etwas von meiner kolumbianischen Lieblingsstadt Medellín zeigen. Wie jetzt, Lieblingsstadt? Lars war schon mal in Medellín? Ja, sogar schon im Januar, da fehlt aber noch der Blogeintrag. Ihr seht, ich habe noch viel zu tun hier...
Auf jeden Fall liefen wir zum "Parque Botero" (Botero-Park), wo viele der fetten Figuren stehen, die der kolumbianische Künstler Fernando Botero seiner Heimatstadt vermacht hat.


Da waren natürlich viele Touristen und dementsprechend genauso viele Verkäufer... nein danke, ich möchte keine Kugelschreiber, keine Fotos, kein Kokain kaufen! Obst? Meinetwegen.


Medellín ist die reichste und wohl auch schönste Stadt Kolumbiens, was unter anderem am wohl bekanntesten Sohn der Stadt Pablo Éscobar und seinen Drogenboss-Kollegen liegt. Deren Geld musste ja irgendwo hin und so ist Medellín kulturell mit anderen Weltstädten durchaus auf einem Level.


Medellín ist auch die einzige kolumbianische Stadt mit einem Metrosystem, das mit einer deutschen S-Bahn vergleichbar ist. Das ist doch mal eine sinnvolle Nutzung von Drogengeld, im Sinne von: "Meine Villa! Mein Flugzeug! Meine Frau! Ihre Titten! Und bämm - meine S-Bahn! Und jetzt kommst du!"
Wir nahmen also die Metro, um Katja, einer anderen weltwärts-Teilnehmerin von AFS hallo zu sagen, und gingen dann zum "Pájaro de la Paz" (Vogel des Friedens). Der wurde ironischerweise einmal von der Guerilla bei einem Attentat zerstört, aber als Mahnmal erhalten.


Nachmittags ging es dann wieder den Berg hinauf nach Rionegro - eine Fahrt, auf der man eine tolle Aussicht auf den Talkessel von Medellín hat.


So flogen wir zwei Packesel von Medellín nach Cali - endlich einmal pünktlich.


Abends erfuhr ich, dass ich am Montag nicht zur Schule gehen müsse. Schließlich waren Wahlen am Sonntag, und die Schulen werden dafür am Freitag und Montag geschlossen - offiziell, um nach Bomben zu suchen. Ob da nun wirklich wer sucht, ist eine andere Geschichte. Und am Dienstag würde ich sowieso frei haben, da das ja mein freier Tag war.

Tage 9 bis 11 - Sonntag, 14. März 2010 bis Dienstag, 16. März 2010

Daher entschlossen Jana und ich uns am Sonntag, zum "Lago Calima" (Calimasee) zu fahren, an dem der Arbeitgeber meiner Gastmutter "Comfandi" ein Hotel hat. Dadurch zahlten wir für ein Doppelzimmer nur 120.000 Pesos pro Nacht, etwa 45 Euro, inklusive Frühstück und Abendbrot.


Das Wetter war am Sonntag nicht so klasse und für karibikverwöhnte Urlauber mit 20-25°C auch recht frisch - ja, ich weiß, ich jammere auf hohem Niveau!


Wir waren so ziemlich die einzigen Besucher, sodass extra für uns das Wasser in der Rutsche an- und wieder abgestellt wurde.


Jana ist knapp größer als die geforderten 95 Zentimeter - Schwimmerlaubnis erteilt!


Am nächsten Tag gingen wir zum Nachbarhotel "Los Veleros" (Die Segel), das auch Comfandi gehört. Doch wir waren uns plötzlich nicht mehr sicher, ob wir noch in Kolumbien oder plötzlich in einer Schweizer Exklave waren, wie das folgende Bild zeigt.


Im Hotel angekommen, besuchten wir den Whirlpool.


Und da war wieder klar, dass wir immer noch in Kolumbien sind.


Hauptsache ist, die Öffnungszeiten sind klar definiert. Noch Fragen?


Und da das in einer anderen Woche passiert ist, komme ich einfach nicht umher, die ...


... für eine solch erdrückende Klarheit noch einmal zu verleihen.


Man beachte meine Bräunungs- oder, besser gesagt, Rötungslinie oberhalb des Ansatzes der Badehose.
 
Tage 12 bis 14 - Mittwoch, 17. März 2010 bis Freitag, 19. März 2010

Zurück in Cali gibt es eigentlich nicht mehr viel zu erzählen. Jana begleitete mich am Mittwoch und am Donnerstag zur Schule, und viel zu schnell waren die zwei Wochen auch schon herum.


Dieses Abschiedsbild zeigt meinen Gastvater Javier, meine Gastmutter María Nelly und meinen Gastbruder Daniel.
Am Freitag standen wir dann um vier Uhr auf, denn Janas Flug ging um 6 Uhr morgens. Ich handelte mit dem Taxifahrer den Festpreis von 45.000 Pesos, 17 Euro, aus, und fuhr dann mit Jana zum Flughafen. Dort musste ich noch zwei Stunden warten, bis der erste Bus in Richtung Cali fuhr, der nämlich direkt an meiner Schule vorbeifährt und ich mir so das Taxi sparen konnte. Um 5.30 Uhr morgens an der Schule zu sein hätte ja sowieso nichts gebracht.

Abschließend gesagt glaube ich, dass der Urlaub Jana ein ganz gutes Bild von Kolumbien vermitteln konnte. Ich verspreche, meine Blogeinträge wieder ein bisschen regelmäßiger zu veröffentlichen und wünsche euch frohe Ostern nachträglich.

Euer Lars