Freitag, 4. Juni 2010

El alfabeto colombiano: D

Das kolumbianische Alphabet: D

D wie Deutschland

Das Bild von Deutschland ist hier außerordentlich positiv. Erfolgreiche Sportler, seriöse Politiker, schnelle Autos, die man auch auf vernünftigen Straßen benutzen kann, und Klebeband, das seinem Namen auch gerecht wird, sind nur einige der Beispiele, die ich immer wieder höre.
Was Beckenbauer jetzt eigentlich mache? Wann Schumacher wieder gewinnen würde? Wie lange Ballack verletzt sei? Ob Porsche und Audi beide aus Deutschland kämen? Ob man wirklich auf der Autobahn so schnell fahren könne, wie man wolle?
Leider geht die Verehrung oft noch einen Schritt weiter, und schwupps sind wir bei der "deutschen Rasse" angekommen. So stark, kräftig, zielstrebig, hart arbeitend und ehrlich - und überhaupt, tolle Typen, diese Deutschen.
Auch das würde mich jetzt nicht weiter stören - wer wehrt sich schon gegen diese Adjektive - wenn die Kolumbianer jetzt nicht den letzten Schritt machen würden, zum "Adolfo Hitler". Der sei ja auch so ein "berraco" gewesen - wörtlich genommen ein Eber, aber das Wort drückt eher eine ganze Menge Bewunderung aus.
Dazu ganz aktuell neulich im Fitnessstudio, eine etwa 50-jährige Frau zu mir:

"Ich liebe Adolf Hitler."
Warum?

"Wegen der Ordnung ..."
Gut, kann ich verstehen.

"... und dem Körper ..."
Das nun eher weniger.

"... und weil er Vegetarier war. Hitler war gut zu Tieren."
Ach so. Es relativiert natürlich den Mord an 6 Millionen Menschen, wenn er und sein Gesocks dafür 6 Kühe verschont haben.

Donnerstag, 3. Juni 2010

El alfabeto colombiano: C

Das kolumbianische Alphabet: C

C wie Chaos

Das hätte man auch unter "A wie Alltag" einordnen können. Besonders meine Arbeitsstelle, die Schule, hat Tag für Tag eine Überraschung parat. Wie bei einem Adventskalender öffnet der "portero" (Türsteher) mir die Tür, um festzustellen:

  • Meine Schüler kommen zu spät.
  • Meine Schüler kommen gar nicht.
  • Meine Schüler schreiben eine Arbeit und können deshalb nicht.
  • Meine Schüler machen einen Ausflug.
  • Die Tür wird gar nicht geöffnet, weil heute Wahlen / Feiertag / Lehrerkonferenz / Reggaetón-Konzert / WM-Spiel / sonstige Passion ist bzw. sind.

In einigen Fällen kommt es dann auch einmal vor, dass die Schüler alle kommen. Pünktlich. Mit Hausaufgaben. Und Vokabeln gelernt. Hey, man darf ja mal träumen... Dazu weise ich auf die (inoffizielle) kolumbianische Nationalhymne hin.

Probier's mal mit Gemütlichkeit


"Probiers mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit, jagst du den Alltag und die Sorgen weg.
Und wenn du stets gemütlich bist und etwas appetitlich ist, dann nimm es dir - egal von welchem Fleck."

 Das Lebensmotto der "ladrones" (Diebe).

"Was soll ich woanders, wo es mir nicht gefällt? Ich gehe nicht fort hier, auch nicht für Geld!"

Kommt drauf an. Wenn die Familie nicht mitkommt, dann wahrscheinlich nicht. Aber insgeheim ist es der Traum eines jeden Kolumbianers, in den USA zu leben.

"Die Bienen summen in der Luft, erfüllen sie mit Honigduft - und schaust du unter den Stein, erblickst du Ameisen, die hier gut gedeih'n."

Da muss man noch nicht mal unter den Stein schauen.

" [...] Denn mit Gemütlichkeit kommt auch das Glück zu dir."

Wozu es dann also suchen?

"Es kommt zu dir."


PS. Gerade heute wieder Passion vom Feinsten - die Stundenpläne werden geändert, sodass der Unterricht vom Montag nun auf den Dienstag fällt und der vom Freitag auf den Donnerstag. Da ich jedoch Freitags nicht arbeite, habe ich nun die nächsten zwei Wochen nur zwei Arbeitstage und fünf Tage Wochenende. Was soll ich noch sagen?

Mittwoch, 2. Juni 2010

El alfabeto colombiano: B

Das kolumbianische Alphabet: B

B wie Bus

Da viele Leute kein Auto haben, fahren unglaublich viele Busse auf den Straßen von Cali. Unzahlige kleine Busunternehmen nutzen fahrbare Untersätze mit vier Rädern und nennen das dann Bus. Die Qualität schwankt zwischen "alte Rostlaube" und "neue Rostlaube", und beim Abgas gibt es die Versionen "viel Ruß" und "ganz viel Ruß". Sitzplätze gibt es in den Hauptverkehrszeiten viel zu wenig, sodass man oft im 1,70 Meter hohen Gang stehen muss.
Jedes Unternehmen hat seine eigenen Linien und so kann man eigentlich von jedem Punkt der Stadt überall hinkommen, ohne umzusteigen. Da müsste man dann auch noch einmal bezahlen. Vorne am Bus ist ein Schild mit der Route angebracht, und die Ziele werden meistens als freundlicher Hinweis für blinde Fahrgäste vom Beifahrer auch noch lauthals aus dem Fenster gerufen.

"Setenta, López, Calima, Sameco, Setenta! Calima, Sameco!"

Da die Busse die Stadt also verstopfen und verdrecken, hat sich Cali ein tolles Bussystem, MIO genannt, mit Extraspuren und -haltestellen ausgedacht. Diese Busse sind zwar sauberer und neuer, doch dafür dauert es länger und es gibt nun immer zu wenig Sitzplätze, denn gleichzeitig wurden viele Stadtbusse aus dem Verkehr gezogen. Die Busfahrer vom MIO, die allesamt einmal Stadtbusfahrer waren, halten zwar nun an den roten Ampeln an, sind aber sonst wie ihre ehemaligen Kollegen. Wenn die elektronische Zielanzeige nicht geht, wird da erstmal sanft gegengekloppt. Nichts passiert?

Wenn Gewalt nicht hilft, hilft nur mehr Gewalt!

Also wird ohne Sinn und Verstand auf die Anzeige eingeschlagen, bis entweder die Anzeige oder die Hand aufgibt. Bisher hat die Anzeige noch jeden Kampf gewonnen...
Neben Stadtbussen gibt es auch noch Reisebusse, bei denen die Qualität doch ein wenig höher liegt, und man mit etwas Glück und Verstand tatsächlich einen Sitz mit zurückstellbarer Lehne, genügend Beinfreiheit und Klimatisation bekommen kann. Diese drei Eigenschaften sind besonders bei langen Überlandfahrten nicht zu verachten - und lang ist wirklich lang, es dauert nun mal 10 Stunden, um von Cali nach Bogotá oder Medellín zu kommen.

Dienstag, 1. Juni 2010

El alfabeto colombiano: A

Das kolumbianische Alphabet: A

A wie Arbeit

Der Computer ist mal wieder hin, und damit auch das für diese Woche hergestellte Video über meine Arbeit unerreichbar auf der Festplatte. Naja, kommt dann die Tage hier hoch.
Ich sitze also gerade an einem Laptop meiner Gastfamilie und habe festgestellt, dass ich noch genau 26 Tage habe, bevor meine Eltern nach Kolumbien kommen. 26... 26... da gibt's doch noch was? Richtig, das Alphabet! Und da habe ich mir gedacht, ich könnte ja zusätzlich zum genannten Video und zu den drei weiteren geplanten Texten hier jeden Tag einen kleinen Text reinstellen, der sich auf einen Buchstaben bezieht. Mal sehen, ob ich das hinkriege - hier ist auf jeden Fall der erste Text zum Thema "Arbeit".

Arbeit wird in Kolumbien groß geschrieben. Jeder arbeitet irgendwie als irgendwas, oder am besten gleich als alles mögliche. Das ist grundsätzlich dem Umstand zu verdanken, dass es in Kolumbien keine Sozialhilfe gibt und man sich so aussuchen kann, ob man als Penner auf der Straße leben will, oder dann vielleicht doch mal 'ne Runde mit anpackt. Und so hat ein jeder ohne Festanstellung sein eigenes kleines "negocio" (Geschäft), sei es eine Bar, ein Schuhimport, ein Bauchladen voll mit Kaugummis und Zigaretten, eine kleine Schachtel halb voll mit Kaugummis, ein paar Armbänder, eine Packung Kugelschreiber, ein rotes Tuch zum Einweisen der parkenden Autos - ich könnte ewig so weitermachen.
Mit der Arbeit ist es dann aber auch ganz schnell wieder vorbei, wenn genug Geld für heute oder gar diese Woche verdient worden ist. Da wird dann erst einmal Siesta gemacht, einfach nur rumgesessen und gechillt, oder Bier getrunken, bis man wieder Geld braucht. Dazu sinngemäß ein Dialog zwischen Eric und mir:

Eric: Ich versteh' das nicht, wieso die Kolumbianer immer nur so viel arbeiten wie nötig.
Lars: Kennst du die Geschichte vom glücklichen Fischer?
Eric: Nee, erzähl.
Lars: Es war einmal ein erfolgreicher Geschäftsmann, der einen Fischer am Ufer liegen sah. Er fragte ihn, wieso er nicht arbeitete, und der Fischer fragte zurück, was ihm das nützen würde. Der Geschäftsmann antwortete, er könne viele Fische fangen und Geld verdienen, woraufhin der Fischer noch einmal fragte, was ihm das nützen würde. Der Geschäftsmann erwiderte, mit viel Geld könne der Fischer sich ausruhen und ein glückliches Leben führen. Daraufhin antwortete der Fischer: "Das kann ich doch jetzt auch." Ich glaube, das ist die Mentalität der meisten Kolumbianer.
Eric: Ja toll, und dann hat der Fischer eines Tages Krebs, oder braucht Zahnersatz, oder ein Trawler fängt ihm alles weg. Was macht der glückliche Fischer denn dann?

Ihr seht, diese Einträge sind nicht immer ganz ernst gemeint und bringen euch doch die kolumbianische Natur ein bisschen näher. Da ich hier schon einmal mit Ironie tief ins Fettnápfchen getreten bin, weise ich darauf hin, dass niemand meinen Blog lesen muss.

Bis morgen, euer Lars