Donnerstag, 24. Juni 2010

El alfabeto colombiano: X

Das kolumbianische Alphabet: 

X wie eXtrem Verrückte

Viele Leute, die in Deutschland im Krankenhaus oder in psychiatrischer Behandlung wären, laufen hier frei auf der Straße herum. Das fehlende Sozialsystem führt zu sehr viel mehr Obdachlosen, die entweder vorher schon verrückt waren oder es auf der Straße werden. Täglich sehe ich Leute, die vor sich hin brabbeln.
Oft sammeln sie Müll oder winken Autos in Parkplätze ein. Diese "Auto-Toreros", wie ich sie wegen ihrer roten Tücher nenne, stehen manchmal alle 50 Meter in jeder Straße (!) und winken Autos in Parklücken ein oder aus.


Diese extrem Verrückten sind zwar meist ganz friedlich und recht amüsant, aber manchmal dann auch gefährlich. Schließlich weiß man nie, ob sie nicht plötzlich ein Messer ziehen - so wie neulich der Penner auf der Straße mit seinem Karren.

"¡Hé, mono, dame plata!"
Selbstverständlich holte ich auf diese freundliche Aufforderung "Hey, Blonder, gib mir Geld!" mein Portemonnaie hervor und zahlte dem guten Mann ein Abendessen - nicht. Wer mich mit "mono" (Blonder) anquatscht, kriegt grundsätzlich keine Antwort, es sei denn, es ist Mari, unser Hausmädchen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt weiß, wie ich wirklich heiße.
Ich ging also unbeirrt weiter und sah den Mann plötzlich mit einem Messer herumfuhrwerken.

"¡Vean, vean, un gringo!"
Nö, leider falsch. "Seht, seht, ein Gringo" trifft nicht auf mich zu, da Gringo eine eher unfreundliche Bezeichnung für US-Amerikaner ist. Für viele Kolumbianer sind alle Weißen US-Amerikaner und alle Asiaten Chinesen.
Wie dem auch sei, ich fing an zu laufen. Bin ich ein Angsthase? Aber sicher! Man muss einfach ein bisschen aufpassen und immer für alles gewappnet sein. Nie jemandem die Hand geben und nie stehen bleiben, wenn keine Polizei in der Nähe ist - das sind meine zwei Regeln zum erfolgreichen Überleben in Kolumbien.
Wenn ich zwei Meter Abstand halte, muss jemand erst einmal diesen Abstand überwinden, um mich angreifen zu können. Aber wie gesagt, die meisten Verrückten sammeln ganz friedlich ihren Müll, winken Autos ein oder brabbeln vor sich hin.

Mittwoch, 23. Juni 2010

El alfabeto colombiano: W

Das kolumbianische Alphabet: W

W wie Wasser


Unglaublich wichtig bei 30 Grad in tropischen Breiten. In den kolumbianischen Großstädten Bogotá, Cali und Medellín ist das Leitungswasser zum Glück gefiltert und mit Chlor versetzt, sodass man es ohne Bedenken trinken kann. In anderen Städten auf dem Land wird das Wasser einfach aus dem nächstbesten Fluss genommen und sollte dann so natürlich nicht getrunken werden.
Ich glaube, ich habe noch nie so viel Wasser in meinem Leben getrunken wie hier. Wenn ich in der Schule arbeite, trinke ich eine Flasche mit 2,5 Litern Inhalt - und wenn ich abends ins Fitnessstudio gehe, hau ich noch 'ne Flasche weg.
Dazu kommen noch Milch, diverse Säfte, eine Suppe und so komme ich locker auf sechs Liter Flüssigkeit. Das ist aber auch notwendig, weil ich hier schon bei leichter körperlicher Aktivität anfange, zu schwitzen.
Schon wenn man über einem warmen Essen sitzt, öffnen sich die Poren! Kolumbianer scheinen dieses Problem irgendwie nicht zu haben, sondern trinken nur dann und wann mal einen "cafesito" (Käffchen). So sind ich und meine Flasche, die ich täglich mit Wasser auffülle, bereits in der ganzen Schule bekannt.

Dienstag, 22. Juni 2010

El alfabeto colombiano: V - hoy con dos entradas

Das kolumbianische Alphabet: V - heute mit zwei Einträgen

V wie Verkehr / Vornamen

Eigentlich habe ich schon viel zu viel über Verkehr in Kolumbien geschrieben. Aber immer noch nicht genug. Schließlich werde ich pro Woche mindestens einmal fast überfahren, weil Fußgänger in Kolumbien so viel wert sind wie Kakerlaken, und eine Ampel immer nur eine Empfehlung darstellt.
Ausserdem wird dauernd, immer und überall gehupt - da helfen auch die aufgestellten Schilder nichts, auf denen steht: "Die Hupe lässt dich nicht schneller ankommen."
So fahren die Motorräder auch über den Fußweg, wenn es sein muss, und Autos biegen ohne zu blinken plötzlich ab. Sollte man sich dann zu dem Zeitpunkt gerade zufällig auf der Straße befinden, weil man ja nicht mit dem Abbiegen gerechnet hat, so wird man wüst beschimpft - schließlich raubt man ja dem Autofahrer, der dann bremsen muss, eine Sekunde seiner wertvollen Zeit.
Die hat er vorher wahrscheinlich nichtstuend verplempert und ist nun schon eine halbe Stunde zu spät. Wenn frei ist, wird gefahren - das ist die grundsätzliche Regel an einer Ampel. Und wenn dann plötzlich der Bus abbiegt, weil der eigentlich grün hatte, dann passiert sowas.


Gerade gestern, dadurch kam ich eine halbe Stunde zu spät. Egal, auch für mich reklamiere ich Passion. Wieso macht denn die Polizei nichts gegen das Überfahren der roten Ampeln, das auch in Kolumbien verboten ist?
Das Problem ist, dass die normale Polizei nur für die allgemeine Strafverfolgung zuständig ist. Für den Straßenverkehr gibt es den "tránsito" - eine zweite Art von Polizei, die konsequent durch Abwesenheit glänzt. Wenn man hier einen Strafzettel für ein Verkehrsvergehen bekommt, muss man schon extrem viel Pech haben!

Kommen wir also zu den Vornamen. In Kolumbien ist es wie in Deutschland besonders unter den ärmeren Leuten verbreitet, den Kindern englische Namen zu geben. Da aber in Kolumbien ALLES Spanisch ausgesprochen wird, muss eben die Schreibweise manchmal angepasst werden.
So gibt es den Namen Lady, der "Laddi" ausgesprochen wird. Will man, dass sich das Ganze Englisch anhört, dann schreibt man das Kind halt Leidy. Das Gleiche gilt für Jhefree und Brayan. Den Preis für den allerbesten Vornamen gewinnt allerdings Usnavy, gesprochen "Usnahfi". Was steckt dahinter?
Im Hafen von Buenaventura - eine der ärmsten Städte Kolumbiens, wo die Leute in Bretterbuden wohnen - kommen viele Schiffe an. Vorwiegend Containerschiffe, aber manchmal auch Kriegsschiffe aus den USA. Und auf denen steht halt "U.S. NAVY"! =D

Montag, 21. Juni 2010

El alfabeto colombiano: U

Das kolumbianische Alphabet: U

U wie Urlaub

Der wird in Kolumbien meist in der näheren Umgebung verbracht. Das liegt zum einen an der Familie, die man gerne und oft besucht, und zum anderen am Geld. Verreisen ist schließlich teuer, und das können sich viele Leute einfach nicht leisten. 95 Prozent meiner Schüler haben noch nie in einem Flugzeug gesessen, und oft ist ihre weiteste Reise zu einem Ort zwei Stunden weg von Cali gewesen.
Wenn ich dann erzähle, dass ich am Amazonas, an der Karibik, in Bogotá, in Medellín oder in Panama war, bekommen sie große Augen. Aber natürlich hängt das auch damit zusammen, dass ich Ausländer bin, und somit hier so viel verreise, wie ich kann. Schließlich bin ich jetzt hier, und habe jetzt die Zeit und glücklicherweise auch das Geld. Daher kenne ich Kolumbien mittlerweile besser als Deutschland!
Doch auch für die Leute mit genügend Geld existieren zwei Probleme. Erst einmal haben auch sie nur zwei Wochen Ferien pro Jahr, und zweitens bleiben ihre Reisen alle auf Kolumbien und die Nachbarländer beschränkt, wollen sie kein Visum beantragen.
Visum? Wann habt ihr das letzte Mal für einen Urlaub ein Visum beantragt? Ich habe in meinem Leben bisher zwei Visa benötigt, und beide nur, weil ich ein Jahr in den USA bzw. Kolumbien bleiben wollte. Ein Kolumbianer braucht dagegen für fast jedes Land ein Visum.

Was verdienen Sie? Wo arbeiten Sie? Wie lange arbeiten Sie dort schon? Haben Sie Kinder? Was machen Ihre Kinder? Was wollen Sie in unserem Land? Wo wollen Sie hin?
Das alles musste meine Gastmutter ausfüllen, als sie mit ihrem Unternehmen für zwei Wochen nach Europa wollte - nach Deutschland, Spanien und England. Halt, Schengen gilt für Ausländer für England nicht! Also das Ganze zweimal - wohlgemerkt, eine geschäftliche Reise für zwei Wochen. Merkt ihr was?
Wir sind unglaublich privilegiert in Deutschland und Europa! Für welches Land brauchen wir denn ein Visum? Nordkorea vielleicht. Und natürlich ist es unfair - aber auf der anderen Seite verständlich. Wer als Deutscher nach Kolumbien reist, will wohl kaum da bleiben - und wenn, dann hat er eine hohe Bildung und ist eine Bereicherung für das Land.
Als Kolumbianer in Deutschland liegt der Anreiz zum Dableiben sicherlich sehr viel höher, und dem wirkt die deutsche Regierung verständlicherweise entgegen. Daher: