Montag, 23. November 2009

El campeón mundial en exportes - y por qué lo somos

Der Exportweltmeister - und warum wir es sind

Es hat mal wieder einen Tag länger gedauert, aber an der Schwäche "Unpünktlichkeit" kann ich hier in Kolumbien beim besten Willen kaum arbeiten. Mit Blick auf die Einstellungstests zum Piloten bei der Lufthansa bin ich jedoch dabei, mein Leben zu reflektieren und mich mit meinen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen. Ich habe zwar begonnen, in der Schule zu arbeiten, aber 2 bis 3 Stunden Unterricht täglich lasten mich immer noch nicht aus - so habe ich genug Zeit zur Analyse meines bisherigen Lebens und zum Überlegen, was ich denn nun in der Zukunft wirklich machen möchte. So viel steht schon mal fest: kein Lehrer in Kolumbien!
Aber genug davon. Heute wende ich mich einmal dem Deutschlandbild in der großen weiten Welt zu. Während ich während meines Aufenthaltes in Amer... äh, in den USA - Amerika ist ein Kontinent, das lernt man hier sofort, wenn man es nur einmal als Synonym für die Vereinigten Staaten benutzt - war, merkte ich, dass dort ein Bild von Deutschland kaum existiert, genauso wenig wie eines von Europa. Hitler, Bier, Oktoberfest und Autobahnen waren vier Schlagworte, die so ziemlich das beschreiben, was sich Amer... äh, US-Amerikaner unter Deutschland vorstellen.
Hier in Kolumbien sind die Autobahnen gänzlich unbekannt, dafür die Fahrzeuge, die auf ihnen fahren, umso mehr. Mercedes, Audi, BMW, Porsche - sie alle bedeuten für die Kolumbianer Luxus. Daher sieht man sie auch kaum auf den Straßen hier ...



... obwohl zumindest die MIO-Busse zum Teil vom dreizackigen Stern geliefert wurden.



Im Vergleich dazu sieht so ein - zugegeben verdammt schlechter - öffentlicher Bus aus.

Den weitaus größten Anteil der deutschen Autos machen hier einige "Colwagen" oder "Autowagen" auf den Straßen aus - VWs, mit dem Schriftzug des Importeurs versehen. Doch die Kolumbianer fahren, auch wenn sie es sich leisten können, prinzipiell keine teuren Autos, was an der Gewalt hier im Lande liegt. Ich möchte euch keinen Schrecken einjagen, denn ich gehe immer noch ohne Angst über die Straße und traue mich, um 23 Uhr von der Bushaltestelle die zwei Blocks zu meinem Haus zu laufen.
Doch dass vor einer Woche vor unserem Haus nachts ein Auto "abgezogen" wurde - der Fahrer wurde von zwei Männern auf einem Motorrad mit einer Pistole bedroht und ihm wurde sein Auto gestohlen - fand ich doch höchst Angst erregend. Zwei Tage später passierte dann das Gleiche noch einmal, diesmal mit dem Auto meiner Gasttante um 8 Uhr abends vor ihrem Haus. Ich habe nach der übertriebenen Angstphase, die auf den Empfehlungen der Vorbereitungsseminare beruhte, und der totalen Entspannung, die sich nach meiner Ankunft einstellte, wieder ein bisschen mehr Respekt vor der Situation hier.
So hätte ich euch noch vor zwei Wochen geschrieben, dass man hier zwar ärmste Leute im Viertel sieht - vom Laufband im Fitnessstudio sah ich eine Frau den Müll nach Essensresten durchwühlen - doch die Diebe hielten sich woanders auf. Diese Aussage revidiere ich nun und ziehe daraus auch meine Schlüsse - zum Beispiel gehe ich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr durch eine unbeleuchtete Straße ohne Geschäfte von der Bushaltestelle zu meinem Haus, sondern fahre lieber eine Station weiter und mache einen kleinen Umweg, an dem sich jedoch alle 10 Meter ein Restaurant oder eine Bar befindet.
Von den etwa 20 Jugendlichen, die mit mir und AFS nach Südamerika gefahren sind, wurden nach meiner Zählung bereits 8 ausgeraubt. Man kann es nicht verhindern, wenn man wie ich das Land kennen lernen will, aber man kann das Risiko minimieren. Wenn es dann doch passiert, ist es halt Pech - zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Hoffen wir mal, dass dies nie die Überschrift eines meiner Blogeinträge sein muss.
Da hier also beispielsweise Autos abhanden kommen, werden neue aus Deutschland importiert, was den Export ankurbelt, so könnte man denken. Doch das ist nicht der eigentliche Grund für die Exportweltmeisterschaft meines Landes. Es ist schlicht und einfach die Qualität. So besitzt meine Schule noch nicht einmal einen Kopierer - dafür gibt es Läden, bei denen eine Kopie 50 Pesos, also knapp 2 Cent kostet.



Doch wieso kauft sie Edding-Stifte für die Tafeln aus Ahrensburg bei Hamburg?



Wieso sind die Sitze der Busfahrer in den MIO-Bussen von ISRI (Isringhausen) aus Lemgo bei Bielefeld?



Wieso sind die Läden voll mit Nivea-Produkten aus Hamburg?



Wieso wird hier mit tesa-Film aus Hamburg geklebt?

Wieso tragen die Leute Schuhe von Adidas oder Puma aus Herzogenaurach bei Nürnberg? Weil es gute Qualität ist, und das honorieren die Kolumbianer - obgleich ein China-Pendant sicherlich um die Hälfte billiger wäre. Doch während sie sich der deutschen Herkunft meist nicht bewusst sind und ich sie dann stolz darauf hinweise, dass dieses Klebeband aus meiner Heimatstadt komme, hören sie doch viel über die Geschehnisse in Deutschland und teilen mir dies auch mit.
So wurde ich am 28. September mit der Information begrüßt, dass Angela Merkel die Wahl gewonnen habe, und am 9. November wurde ich ausgiebig über den Mauerfall befragt. Robert Enke ist spätestens seit seinem Tod auch hier ein Begriff, während Miroslav Klose, Lukas Podolski und Michael Ballack das auch jetzt schon sind - bei den ersten beiden ist sogar die polnische Herkunft bekannt.
Im Gegensatz zu den USA wirkt hier natürlich der Fußball als großer Verbindungsfaktor und es vergeht keine Woche im Fitnessstudio ohne ein Gespräch über den deutschen Fußball, obwohl der HSV hier leider unbekannt ist. Bayern München ist hingegen jedem Mann ein Begriff, und wenigstens kennen die meisten Leute Zé Roberto. Die Faszination für Fußball ist hier ungleich fanatischer als in Deutschland und jedes Tor wird bejubelt wie der Gewinn der Meisterschaft, auch wenn es nur das Ehrentor zum 1:4 ist. Es wäre sicherlich toll gewesen, Kolumbien bei der WM 2010 in Südafrika zu sehen, aber dafür hat es ja leider nicht gereicht.
Was ist das Ziel des heutigen Blogeintrags, mögt ihr euch fragen - erzählt uns der gute Lars ein paar Geschichten aus Kolumbien, ohne zum Punkt zu kommen? Natürlich nicht. Ich lerne hier viel mehr über mein Heimatland und sein Bild in der Welt, als ich dies in Deutschland je könnte. Ich kann mein Land mit anderen Ländern vergleichen, es objektiv darstellen und positive Dinge der kolumbianischen Kultur nach Deutschland mitbringen. Ich merke, wie schwierig die deutsche Sprache ist und bin mir bewusst, was eine Muttersprache ausmacht - das Recht, Fehler zu machen oder Wörter zu erfinden. Als Beispiel mag hier der folgende Satz gelten: "Das ist das Beste, wo gibt." Grammatikalisch ein Desaster, und dennoch weiß jeder Hörer, dass der Autor ohne jeden Zweifel Deutscher ist.
Und zu guter Letzt: Ich bin stolz auf Deutschland. Stolz auf die Sicherheit auf den Straßen. Stolz auf das Bild, was wir nun schon seit 64 Jahren der Welt vermitteln wollen und endlich ankommt.

Stolz auf Bushaltestellen, bei denen die Linienanzeiger nicht mit Papier auf Pappe geklebt werden - ...



... wahrscheinlich mit einem Pritt-Stift - und sich nach zwei Tagen wellen.

Stolz auf die Organisation. Stolz auf Schwarzbrot.



Stolz darauf, dass solche Hinweisschilder nicht notwendig sind.

Und was ich euch mit auf den Weg geben möchte: genauso stolz könnt ihr auch sein.

Euer Lars

4 Kommentare:

  1. Moin Lars, endlich - würde ich sagen- kommt der Lars zum Vorschein, wie wir ihn alle kennen.
    Er guckt in jeden" Kochtopf", sprich er interessiert sich für Alles und Jedes und kommentiert es gekonnt.Nun wird auch mal Deutschland unter die Lupe genommen, vorerst aber nur das Gute. Das weniger Gute wird wohl auf Grund der Höflichkeit der Kolumbianer und der Sprachkenntnisse noch ein bißchen auf sich warten lassen. Ich bleibe gespannt auf jeden Montag!
    Viele Grüße aus Hamburg LiCo

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  2. Tja Lars, Busse werden eben komplett mit Fahrersitz verkauft ;-) , auch wenn der Zulieferer des Fahrersitz aus Bielefeld kommt...
    2)Marktführer verdrängen gern auch einheimische Produkte aus dem Regal, äh Markt.
    3)Dieses Anti Ka.. Schild steht hier zwar nicht, wird aber auch in D in bestimmten Ecken, Innenhöfen, Park- und Rastplätzen, sowie den Zu- und Abwegen von Fußballstadien DRINGEND benötigt! Vielleicht ein kommender Exportschlager aus Kolumbien?

    LG Chrissi

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  3. Hi Lars, interresante und sehr aufmerksame Recherche;) Abgesehen von dem Hinweisschild (definitiv sind aehnlich hinweisschilder und noch weit banalere in Deutschland notwendig, wahrscheinlich willst du aber auf die Situation hinaus, das in Deutschland einfach nicht allzuviele arme Leute gibt, die keinen Ort fuer ihr Geschaeft finden oder durch ihre (drogenbedingte) selbstwertlosigkeit und Gleichgueltigkeit uerball "hinmachen")
    Wie dem auch sei, mir gefaellt deine fotounterstuetzte recherche.
    Auch ich musste letztens feststellen, dass ich wohl das erste Mal in meinem Leben stolz auf mein Land war. Auch wenn ich noch nicht allzuviel dazu beigetragen habe, konnte ich es spueren. Ich erzaehlte ueber das Schulsystem sowie das sozialsystem und ploetzich ist es passiert. Mir wurde klar, wie klasse unser Land ist und was fuer clevere Konzepte und Programme es gibt. Fuer die Kolumbianer ist die Kroenung des ganzen unser Kindergeld. Klar haben wir andere Probleme (in diesem Bezug Generationenvertrag u.AE.), doch im Vergleich zu Kolumbien was die Leistungen des Staates fuer seine Buerger angeht, glaenzt Deutschland und hat mir ein Gefuehl gegeben, dass ich so vorher noch nie hatte.
    Ich freu mich, mit dir bald durch den Dschungel tiegern zu koennen:P Bis bald,
    Julian

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  4. herrlicher eintrag larsi ;)
    angie wäre stolz auf dich, deine "sei stolz" reihe ist dir ja ganz hervorragend gelungen! :D
    oh ja, wenn man nicht in good old germany ist merkt man erstmal, was man dort schätzt (und was nicht!!!) :D
    liebste grüße,schreib weiter fleissig!
    gwen :-*

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