Sonntag, 13. September 2009

Don Javier y su finca

Don Javier und sein Landgut

Wie ich schon im letzten Eintrag angekündigt habe, soll es hier und heute um die Finca gehen. Sonntags machen wir uns oft auf in Richtung der kühlen Berge, wobei kühl im relativen und subjektiven Kontext der Hitze zu sehen ist und daher immer noch Temperaturen von mehr als 20 Grad bedeutet. Aber das ist im Vergleich zu den stickigen 30 Grad hier schon ein deutlicher Fortschritt! (Nachmittags und abends ist es in Cali jedoch recht erfrischend wegen des Windes, der von den Bergen in die Stadt hinabweht.)


Auf dem Weg zur Finca, vorbei am Dorfladen "Der Freund"

Am letzten Sonntag waren wir also zu sechst unterwegs im ca. 15-20 Jahre alten Jeep, einem von zwei Autos, die meine Gastfamilie besitzt. Das andere Auto, ein Kombi, ist genau so alt - gefühlt noch älter, aber dazu kommen wir ein anderes Mal. Man benötigt auf jeden Fall für den Weg in die Berge einen Jeep. Wenn man denkt, es ginge gar nicht mehr schlimmer mit all den Schlaglöchern, so wird man eines Besseren belehrt, sobald sich die Straße zu einem Feldweg entwickelt, auf dem wir eine weitere halbe Stunde fahren müssen! Das ist besonders, wenn man zu dritt auf der Rückbank sitzt, nicht besonders bequem. Neben Javier und Maria Nelly, meinen Gasteltern, und Daniel, meinem Gastbruder, waren auch noch die Oma Nelly und die "Muchacha" Mari dabei.
Mari ist unser Hausmädchen, das für uns 7 Tage die Woche rund um die Uhr kocht, wäscht und putzt, wann immer wir sie benötigen. Die Hausmädchen erhalten hier, soweit ich weiß, den Mindestlohn in Höhe von 450.000 Pesos - etwa 160 Euro monatlich, zuzüglich freier Kost und Logis. Dennoch sind das nur 60 Euro mehr, als ich monatlich bekomme, und das für ihrAnwesenheit rund um die Uhr.


Wie schon letzte Woche möchte ich einen Freund zitieren - diesmal ist es Julian, der sich gerade in der kolumbianischen 150.000 Einwohner zählenden Stadt Girardot aufhält.

"Es ist sehr gewöhnungsbeduerftig, sich von jemandem bedienen zu lassen, vor allem mitzuerleben, wie sie [...] definitiv als Mensch einer niederen Klasse angesehen wird. Sie geht beispielsweise ans Telefon, bringt Sachen auf Befehl und isst alleine in der Küche, nachdem wir gegessen haben und bevor sie abwäscht. Ich weiß, das ich an dieser Situation nicht viel ändern kann. Ich versuche, das Beste daraus zu machen - zu helfen in dem Maße, wie ich darf, ihre Kochkunst zu schätzen und ihre Arbeit zu respektieren."

Ich kann nicht beurteilen, wo der kolumbianische Behandlungsstandard liegt. Auf jeden Fall ist es bei uns mehr oder weniger ebenfalls so, doch es hat mich positiv überrascht, dass meine Gastbrüder immer sehr höflich mit Mari umgehen und stets bitte und danke sagen. Mari kam also auch mit auf die Finca - auf der einen Seite als Familienmitglied, wie es mir auch von meiner Gastfamilie erklärt wurde, doch auf der anderen Seite will man ja auch am Sonntag nicht selbst kochen müssen. Ich unterhalte mich dann und wann kurz mit Mari, doch sie ist eine Ureinwohnerin und hat deshalb einen starken Akzent, den ich nur schwer verstehen kann. Doch ich denke, dass ich in einigen Monaten mehr über sie wissen werde und euch dann natürlich informiere.



Ein Überblick über die Umgebung der Finca

Auf der Finca gibt es ein paar Himbeersträucher und Guavenbäume. Guaven schmecken mir am besten als Saft mit Milch, aber man kann sie auch roh essen. Die Schale ist leicht bitter, das Innere hingegen leicht säuerlich und, wie so viele Früchte hier, geschmacklich einfach nicht beschreibbar. Mein Gastbruder mag übrigens weder den Saft noch das Innere, sondern nur die Schale. Seltsam!
Ein weiterer Angestellter, Luís Carlos, lebt Tag und Nacht auf dem Grundstück und passt auf. Unter der Woche mäht er den Rasen, hält die Pflanzen und Blumen schön und kümmert sich um den total aktiven und verspielten Hund Simón. Sobald man in der Hängematte auf der Terrasse liegt, kommt Simón an und sorgt dafür, dass man sich bloß nicht ausruhen kann!



Simón geht baden

Wenn wir dann kommen, baut Luís Carlos zum Beispiel die Tischtennisplatte auf, während wir Mittag essen. Neben seinem Häuschen steht noch unser Ferienhaus auf der Finca. Wie Mari nennt auch er meinen Gastvater "Don Carlos", wobei Don soviel wie Herr heißt und eine ehrenvolle Anrede ist. Als Arbeitgeber ist Javiers Verhältnis zu seinen Angestellten  nicht ganz so respektvoll wie zwischen uns anderen und Mari sowie Luís Carlos, aber immer noch freundlich. Er ist halt der Chef!


Die Terrasse der Finca

Auf der Finca wächst zudem ein kleines Eukalyptuswäldchen, das einmal im Jahr abgeholzt wird, um das Holz zu verkaufen. Eukalyptus ist jedoch sehr problematisch für die Umwelt, denn die Pflanze trocknet den Boden stark aus und fördert Waldbrände, die man hier des Öfteren sieht. Auch heute haben wieder die Berge um Cali gebrannt, wie schon bei unserer Ankunft mit dem Flugzeug vor zwei Wochen. Hier in Cali hat es diesen Sommer kaum geregnet, sodass alles sehr trocken ist. Die sogenannten "invasiones", also die informellen Siedlungen oder Slums, tun dann zum Teil das Übrige, sodass heute Mittag die ganze Stadt nach Qualm roch. Ich habe zwar kein Feuer gesehen, dafür aber die Löschhubschrauber. Der aufkommende Wind hat den Geruch zum Glück schnell weggeweht.


Der Río Cali, der Fluss, der durch die Stadt fließt, führt wegen der Dürre zur Zeit kaum Wasser und in den ärmeren Vierteln gibt es entweder nachts oder tagsüber kein Wasser - wann, habe ich dem Zettel leider nicht entnehmen können. Bei uns in San Fernando ist jedoch alles wie immer. Doch die Kolumbianer sind nicht gerade sparsam mit dem Wasser.
Auch mit anderen Ressourcen wie Strom oder Benzin gehen sie genau wie die US-Amerikaner sehr verschwenderisch um, wohingegen ich dank Mama zu Hause hier als leuchtendes Beispiel voranzugehen versuche. An dieser Stelle eine kleine Warnung: man sollte zu den USA nie Amerika sagen, das ist für die Südamerikaner der ganze Kontinent. So bleibt zum Beispiel bei Stopps mit dem Auto bis zu 5 Minuten grundsätzlich der Motor an, um auf jemanden zu warten oder schnell Essen beim Chinesen zu holen - so wie heute, denn Mari hatte frei, und selber kochen stand irgendwie nicht zur Debatte. Ich bin der Meinung, dass man sich dann auch nicht über zu hohe Benzinpreise beschweren kann - die übrigens mit dem Konflikt mit Venezuela zu tun haben. Darüber berichte ich einmal, wenn ich einen tieferen Einblick in die Situation gewonnen habe.
Da das Schuljahr hier bald zu Ende ist, hatte ich in der letzten Woche kaum etwas zu tun und konnte am Mittwoch ganz zu Hause bleiben. Ich habe den Tag jedoch sinnvoll genutzt und den Zoo von Cali besucht, wo auch noch zwei andere Freiwillige von AFS arbeiten. Dadurch konnte ich auch umsonst rein, wobei der Eintritt in Höhe von umgerechnet 2 Euro nicht das allergrößte Hindernis dargestellt hätte.
Der Zoo ist um den Río Cali, den Fluss, der durch die Stadt fließt, herumgebaut. Er wird als einer der schönsten Zoos Südamerikas bezeichnet und auch mir hat er, nicht nur wegen seiner Lage, sehr gut gefallen.


Es gibt under anderem Schlangen, ...


... Tiger, ...


... Schmetterlinge, ...


... Aras, ...


... Warane - die gibt es übrigens auch bei uns an der Schule, dort klettern die auf den Bäumen rum - ...


... und Schildkröten.

Heute Abend haben die beiden Fußballvereine aus Cali, América und Cali, gegeneinander gespielt. América, der Lieblingsverein meiner Gastfamilie, hat mit 3:1 gewonnen, und da wir nahe beim Stadion wohnen, konnte man von unserem Balkon aus wunderbar die Fanhorden betrachten - vor dem Spiel friedlich-euphorisch, nach dem Spiel jeder Zweite - vereinsunabhängig - mit einem Stein in der Hand.
Am Samstag ist meine Gastmutter 50 Jahre alt geworden, und wir haben am Freitag abend mit ihren Kollegen und am Samstag abend mit der Familie gefeiert. Impressionen und Berichte von der Feier gibt es nächstes Mal ausnahmsweise schon am Freitag - wieso, erfahrt ihr dann.

Bin bald, euer Lars

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