Nachdem ich am Sonntagabend erst um 20 Uhr nach Hause kam, vorgestern Abend das Internet nicht ging und wir gestern Abend meinen Geburtstag gefeiert haben, zwinge ich mich nun heute dazu, wenigstens schon einmal ein paar Zeilen über die Reise zu schreiben, die ich in der letzten Woche unternommen habe.
Tag 1 - Donnerstag, 17. September
Um 14 Uhr ging es von zu Hause los, um pünktlich um 15 Uhr am Flughafen zu sein, denn eine Stunde später ging der Flug. Doch das Schicksal machte uns leider einen Strich durch die Pünktlichkeit, denn mein Gastvater konnte einmal nicht rechtzeitig bremsen und schon schnitt der scharfkantige Kotfänger des Jeeps in die Heckstoßstange des 20 Jahre alten Mercedes vor uns.
Ganz in kolumbianischer Manier stoppten wir in der mittleren von 3 Spuren der Hauptverkehrsstraße und mit vielen Gesten und Wörtern, die ich hier lieber nicht übersetzen möchte, versuchten mein Gastvater und der Fahrer des anderen Wagens die Angelegenheit zu regeln.
Nach wenigen Sekunden kam dann noch ein Polizist herbeigeeilt, der in aller Seelenruhe inmitten all der hupenden Autos den Unfall ausmaß und uns dann nach 10 Minuten erlaubte, die Autos an den Straßenrand zu fahren, wo unter wildem Gestikulieren weitere Details ausgetauscht wurden.
Auf jeden Fall kamen wir eine gute halbe Stunde vor dem Abflug am Flughafen an, was immer noch gereicht hat. Nach der obligatorischen Handgepäckkontrolle beschnüffelte ein Zöllner kurz mein PSP-Spiel - wie ein Drogenhund setzte er fachkundig seine Nase ein - fand aber nichts, was ihn störte, und ließ mich passieren. Mit der "kolumbianischen Lufthansa" Avianca flog ich dann eine knappe Stunde von Cali nach Bogotá - sehr luxuriös, jeder hat einen eigenen Fernseher, und Kopfhörer werden gestellt. Nur der Mangosaft im Flugzeug ist leider nicht empfehlenswert. Das kann unsere Haushälterin Mari tausendmal besser!
In Bogotá bemerkte man sofort die "Kälte" im Vergleich zu Cali - nur 20°C statt regelmäßig mehr als 30°C! Außerdem ist in Bogotá die Luft sehr schlecht, was zum einen an den Fabriken liegt...
... und zum anderen an den Autos, LKWs und Bussen. Im Gegensatz zu Cali gibt es in Bogotá nicht den Wind am Nachmittag, der den Smog wegweht. Die schwarzen Abgase erinnern mich an eine Stenkelfeld-Episode, aus der ich die entscheidenden 10 Sekunden ausgeschnitten habe und damit das Bild vom Verkehr unterlegt habe.
"Der pafft wat weg!"
Bei Eric, meinem Freund in Bogotá angekommen, tranken wir erstmal zusammen mit seinem 83-jährigen Gastvater Miguel und dessen 56-jähriger Frau Gloria einen Liter Whisky und rauchten dazu Pfeife.
Ein sehr entspannter Abend.
Tag 2 - Freitag, 18. September
Nachdem wir ausgeschlafen hatten, trafen wir uns nach einem Fußmarsch durch die Straßen Bogotás mit Erics Freundin Lilian. Sie war auch mit uns nach Kolumbien gekommen und wohnt in Sugamoso, das etwa drei Stunden nördlich von Bogotá liegt. Zusammen ging es zu einer Andy-Warhol-Ausstellung und anschließend ins Café "Juán Valdez", das Starbucks in Deutschland ähnelt.
Doch hier, im Heimatland des Kaffees, ist derselbe natürlich viel besser! Abends ging es noch in die "Zona Rosa", dem Partyviertel Bogotás, wo die Mojitos gut sind und die Margaritas eher weniger.
Tag 3 - Samstag, 19. September
Am Samstag gingen wir mit Erics Gastfamilie essen. Dabei waren seine Gasteltern, seine Gastschwester Mónica und deren Freund Jeffrey, sowie einige Onkel der Familie. Die Onkel sind alle arbeitslos und sind jeden Tag von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends in der Wohnung von Eric, sodass man morgens erst einmal mit einer Vielzahl kolumbianischer Begrüßungen bombardiert wird, so zum Beispiel "¿Qué hay?", "¿Qué hubo?", "¿Cómo estás?", "¿Cómo te fue?", "¿Qué tal?", "¿Qué más?", und so weiter... ich könnte das jetzt zwar alles übersetzen, aber da die Antworten sowieso irrelevant für den Frager sind und man einfach mit "Bien" (Gut) antwortet, überlasse ich das mal eurer Fantasie.
Abends fuhren wir dann auf die Finca von Julián, einem Kolumbianer in unserem Alter, der der Freund von Lisa ist, die auch mit uns nach Kolumbien gekommen ist. (Mit ihr esse ich im ersten Eintrag die Papaya.) Die beiden haben sich während eines Auslandsjahres in Ungarn kennen gelernt und führen seitdem eine Fernbeziehung! Auf der Finca wurden wir von Juliáns Familie bekocht und lernten die typisch kolumbianische Gastfreundschaft kennen.
Die Familie wohnt hoch in den Bergen über Bogotá, wo die Luft noch rein ist und mal endlich mal wieder durchatmen konnte. Nachts konnte man hervorragend die "Via Lactéa", also die Milchstraße, sehen und in nördlicher Richtung erhellte sich der Himmel immer wieder, was angeblich Stürme in der mehreren Hundert Kilometer entfernten Karibik sein sollen, obwohl ich das nicht ganz glauben kann. Wir übernachteten anschließend auf der Finca, und am...
Tag 4 - Sonntag, 20. September
... ging es um 7.30 Uhr wieder zurück nach Bogotá, da Lilian unbedingt um 8 Uhr bei ihren Gasteltern sein musste, da diese dann loswollten. (Wir erfuhren später von Lilian, dass es tatsächlich erst um 14.30 Uhr losging.)
Nachdem wir noch ein Nickerchen bei Eric zu Hause eingelegt hatten, gingen wir noch einmal mit Erics Familie essen. Anschließend fuhren wir in zwei verschiedene Einkaufszentrum und sahen den Film "La Cruda Verdad" (Die nackte Wahrheit). Sehr sehenswert! Toll an den kolumbianischen Kinos ist, dass die Filme oft auf Englisch mit spanischen Untertiteln gezeigt werden - gut für mich, so verstehe ich wohl sogar mehr als die Kolumbianer! Schlecht hingegen war, dass der Film 10 Minuten lang im falschen Format gezeigt wurde und die Kolumbianer ein Pfeifkonzert wie bei einem Fußballspiel anstimmten, bis der Film zurückgespult wurde und das richtige Format gewählt wurde.
Tag 5 - Montag, 21. September
Mit dem "Transmilenio"-Bussystem, das dem MIO-System hier in Cali ähnelt und als Vorbild diente, ging es morgens in die Innenstadt von Bogotá, wo Eric von 9 bis 12 Uhr seinen Sprachkurs besuchte. Das gleiche am...
Tag 6 - Dienstag, 22. September
..., doch nach dem Sprachkurs machten wir einen Ausflug in den Norden Bogotás gen Zipaquirá, das von der nördlichsten Transmilenio-Station etwa eine Stunde mit dem Bus entfernt ist. In Zipaquirá gibt es eine große Salzmine, in die die sehr katholischen Minenarbeiter zu ihrem Schutz viele Kreuze hineingearbeitet haben. Heute ist die Mine von Zipaquirá ein Touristenort, obwohl einige hundert Meter weiter immer noch Salz abgebaut wird.
Das Ganze wirkt wie eine große Kirche, inklusive Engel...
... und der Berührung zwischen Adam und Gott, die man auch in der Sixtinischen Kapelle sehen kann.
Eine ehemalige Salzgesteinkammer wurde in eine Kathedrale umgestaltet, in der man sogar heiraten kann!
Die ganze Mine ist zudem mit einem Handynetz ausgestattet. Wir nahmen an einer Führung auf Englisch teil, die so ziemlich das bestorganisierteste war, was ich bisher hier erlebt habe. Als Eric dann jedoch einmal musste und unser Führer ihm die hintere Ecke der Kammer empfahl, bemerkten wir wieder, dass wir nicht in Deutschland sind.
Anschließend gingen wir am höchsten Kletterturm in Südamerika, der im Freien steht, klettern, wobei Eric sich mit seinen 15 Jahren Klettererfahrung weitaus geschickter anstellte als ich.
Danach machten wir uns zu Fuß wieder auf den Weg ins Stadtzentrum, wobei ich als Stadtkind weniger Angst vor Fußmärschen in der Dämmerung habe als Eric. Doch als dann ein Panzer vorbeifuhr (!) und überall Militärs mit Maschinenpistolen standen, fühlten wir beide uns einigermaßen sicher - wer wäre schon so blöd und überfiele uns, wenn er anschließend 10 MPs auf sich gerichtet hätte?
Wir fuhren mit dem Bus zurück in Richtung Bogotá und stoppten in Chía, wo es ein super Steakrestaurant namens "Andrés Carne de Res" (Andrés' Fleisch vom Rind) geben sollte, das mir sowohl von meinem Reiseführer als auch von mehreren "Caleños" (Einwohner von Cali) empfohlen wurde. Zu blöd nur, dass wir dort vor verschlossen Türen standen, denn das Restaurant hatte Ruhetag. Also ließen wir uns von unserem Taxifahrer ein Fleischrestaurant empfehlen - und es war das Beste, was uns hätte passieren können!
Für insgesamt 20 Euro verzehrten wir ein ganzes Kilo allerbestes Fleisch mit Käse und Zwiebeln, dazu die Beilage in Form von Tomaten und Kartoffeln, und eine Cola und ein Wasser für jeden war auch noch mit drin im Preis. Ein phänomenales Abendessen und ein denkwürdiger Moment, auf eine gewisse Weise etwas ganz Besonderes und etwas, an das Eric und ich uns auch noch in 20 Jahren erinnern werden.
Am Sonntag folgt Teil 2, mit einer Reise in eine Kolonialstadt und dem Wochenende in Girardot, der möglicherweise heißesten Stadt des Landes. Und dann auch wieder mit Videos, diesmal von der wildesten Busfahrt meines Lebens.
Euer Lars